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Leseprobe 1 DOI: 10.14623/thq.2022.4.410–433
Christoph Theobald
Gemeinsam auf dem Weg
Zur fundamentaltheologischen Grundlegung der Synodalität des Gottesvolkes
Zusammenfassung
Die von Papst Franziskus 2015 aufgestellte These, die Synodalität sei eine konstitutive Dimension der Kirche und biete den geeignetsten Interpretationsrahmen für das Verständnis des hierarchischen Dienstes, muss als kritische Fortschreibung der Ekklesiologie des Zweiten Vatikanums verstanden werden. Nach einer Klärung und ersten fundamentaltheologischen Begründung dieser These muss die prozessuale Struktur der Synodalität einbezogen werden: Sie initiiert ein neues Verhältnis der Kirche zu Zeit und Raum, rührt an deren komplexe Verfassung und gibt ihrer pastoralen Mission eine neue Form. Schliesslich kann die pneumatologische Dimension der Synodalität als Weg der Umkehr und Reform in den Blick kommen, dessen geistliche und institutionelle Seite nicht voneinander getrennt werden dürfen.

Abstract
Pope Francis’ 2015 thesis that synodality is a constitutive dimension of the Church and offers the most appropriate interpretive framework for understanding hierarchical ministry must be understood as a critical continuation of the ecclesiology of Vatican II. After a clarification and initial fundamental theological justification of this thesis, the processual structure of synodality must be included: It initiates a new relationship of the Church to time and space, touches its complex constitution and gives a new form to its pastoral mission. Finally, the pneumatological dimension of synodality can come into view as a path of conversion and reform, whose spiritual and institutional sides cannot be separated.

Schlüsselwörter/Keywords

Amt; Bischofssynode; Ekklesiologie; Institution; Interkulturalität; Kollegialität; Pastoralität; Pneumatologie; Primat; Reform; Synodalität; Umkehr; Zweites Vatikanum Collegiality; Conversion; Ecclesiology; Institution; Interculturality; Ministry; Pastoralism; Pneumatology; Primacy; Reform; Synod of Bishops; Synodality; Vatican II


Seit ihrer Institution durch Paul VI. vor Beginn der letzten Konzilsperiode im September 1965 tagt die Ordentliche Generalversammlung der römischen Bischofssynode in regelmäßigem Drei- oder Vierjahrestakt. Großes Erstaunen erzeugte die unerwartete Thematik der im Mai 2021 einberufenen 16. Versammlung: „Für eine synodale Kirche – Gemeinschaft, Teilhabe und Mission“; oder kürzer: eine Synode über die Synodalität der Kirche.

Die reflexive Formulierung lässt aufhorchen. Sie rückt nämlich einen wesentlichen Aspekt aller Ekklesiologie ins Licht, deren prinzipielle Reflexivität zum ersten Mal von Paul VI. in seiner Eröffnungsrede der zweiten Konzilsperiode expliziert wurde:

„Uns scheint jetzt [nunc] der Moment gekommen zu sein“, so stellt er fest, „an dem die Wahrheit über die Kirche Christi besser erforscht, erörtert und verdeutlicht werden muss, […] mit Hilfe von Erklärungen, in denen die Kirche sich selbst durch eine besonders ausdrückliche lehramtliche Kundgebung vergegenwärtigt [sibi declaret], was sie über sich selbst denkt [de seipsa sentiat]. Das Selbstverständnis der Kirche klärt sich [Conscientia Ecclesiae sibimetipsi clarescit], wenn [dum] sie in treuem Gehorsam an den Worten und Lehren Christi festhält, die bewährten Vorschriften der heiligen Überlieferungen in lebendiger Erinnerung bewahrt und dem inneren Licht des Heiligen Geistes folgt, der offenbar jetzt [nunc] von der Kirche verlangt, dass sie alles tut, um vor den Menschen als das zu erscheinen, was sie ist“.1

Dem, was die Kirche tatsächlich lebt, vor allem während des Konzils – man kann von einer „gelebten Ekklesiologie“ reden –, soll nunmehr ein kollegial durchdachter Ausdruck verliehen werden. Auch wenn ein solcher – reflexiver – Blick der Kirche auf sich selbst unter der bleibenden Gefahr steht, einen ekklesiozentrischen Narzissmus zu befördern, muss er immer wieder von neuem dazu führen, sie zu dezentrieren. Diese selbstkritische Bewegung – auch „Reform“ genannt2 – setzt allerdings voraus, dass sich die Kirche anderen theologalen „Instanzen“ aussetzt. Paul VI. nennt deren drei: den Christus der Schrift und der Tradition, das innere Licht des Heiligen Geistes und die Beziehung zu den Zeitgenossen. Diese Instanzen zu aktivieren, obliegt der Fundamentaltheologie; eine Aufgabe, die während des Konzils, wenn auch nicht ausschließlich, in den kontroversen Debatten über Dei verbum, Dignitatis humanae (DH) und Gaudium et spes (GS) in Angriff genommen wurde.
Das von Paul VI. explizierte Selbstverständnis der Kirche im Konzil gilt analog von der tatsächlich gelebten Synodalität des Gottesvolkes. Papst Franziskus lädt es ein, sich dessen bewusst zu werden, was es augenblicklich lebt, und über seine eigene Synodalität zu reflektieren: als Methode oder met-hodos, die seinen syn-hodos, sein „gemeinsames Gehen“ trägt und orientiert. Im Vorbereitungsdokument finden sich die gleichen reflexiven Formulierungen wie in der Rede Pauls VI., samt einem kurzen Hinweis auf die sie begründenden Instanzen:

„25. Erleuchtet durch das Wort Gottes und in der Tradition gegründet, ist der synodale Weg im konkreten Leben des Volkes Gottes verwurzelt. Er stellt tatsächlich eine Besonderheit dar, die zugleich eine außerordentliche Ressource ist: sein Objekt – die Synodalität – ist auch seine Methode.“3

Diese ekklesiologische Reflexivität findet sich bereits zu Beginn des Textes, der die Synodalität als zukunftsoffenen Prozess darstellt und die drei Schlüsselbegriffe einer sich synodal verstehenden Kirche einführt:

„Wenn sie gemeinsam unterwegs ist und gemeinsam über den zurückgelegten Weg nachdenkt, kann die Kirche aus ihren Erfahrungen lernen, welche Prozesse ihr helfen können, die Gemeinschaft zu leben, die Teilhabe aller umzusetzen und sich der Sendung zu öffnen. Unser „gemeinsames Gehen“ ist tatsächlich das, was wesentlich die Natur der Kirche als pilgerndes und missionarisches Volk Gottes verwirklicht und darstellt.“ (1.)

Gleichzeitig profiliert sich gegenüber dem Zweiten Vatikanum eine ganz neue Perspektive. Die damals allein von den Konzilsvätern praktizierte „Synodalität“ wird von Papst Franziskus auf das Gottesvolk aller Getauften ausgeweitet: die klassischen Konsultationen sind in synodaler Form erfolgt, zunächst vor Ort und dann in einem nächsten Schritt auf kontinentaler Ebene. Die Synode beginnt nicht erst im Oktober 2023, wenn die 16. Ordentliche Generalversammlung der römischen Bischofssynode zusammentritt; sie hat bereits begonnen.

Diese ekklesiologische These muss zunächst geklärt und begründet werden, da sie auf einer neuen Interpretation des Konzils beruht, die bei näherem Hinsehen nicht nur kritische Distanz seinen Dokumenten gegenüber verlangt, sondern auch neue Potenzialitäten in ihnen aufdeckt. Aus der im Vorbereitungsdokument gegebenen, „prozessualen“ Definition der Synodalität ergibt sich sodann, dass diese ein neues Verhältnis der Kirche zu Zeit und Raum initiiert, ein Verhältnis, das an die komplexe, auch ökumenisch belangvolle, sowohl lokale wie universale Verfassung der Kirche rührt und ihrer pastoralen Mission eine neue Form gibt. Dies soll in einem zweiten Teil bedacht werden, ehe dann in einem letzten Teil die pneumatologische Dimension der Synodalität in den Blick kommen kann. Wie dies bereits in der Rede Pauls VI. anklingt, ist der synodale Prozess in seinem Kern ein gemeinsamer Weg der Umkehr und der Reform, deren geistliche und institutionelle Seite nicht voneinander getrennt werden dürfen.



Anmerkungen
1 | Siehe AS II/1, 190; deutsche Übersetzung (zum Teil vom Verfasser korrigiert): HThK Vat II, Bd. 5, Freiburg i. Bg. 2006, 506 (Hervorhebungen vom Verfasser).
2 | Paul VI. expliziert diese „Erneuerung (renovatio)“ im nächsten Abschnitt seiner Rede. Die Terminologie der „Reform (reformatio)“ erscheint erst im Ökumenismusdekret Unitatis redintegratio (UR 6).
3 | Franziskus, Vorbereitungsdokument der 16. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode, (07.09.2021), <https://press.vatican.va/content/salastampa/it/bollettino/pubblico/2021/09/07/0540/01156.html#tedescook> (aufgerufen am 18.10.2022). [...]


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