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Editorial DOI: 10.14623/thq.2021.3.290–292
Franz-Josef Bormann
Es ist kein Geheimnis, dass der im Gefolge der Missbrauchskrise innerhalb der katholischen Kirche von DBK und ZDK initiierte Dialogprozess des sogenannten Synodalen Weges im In- und Ausland nicht nur mit großem Interesse, sondern auch mit wachsender Sorge verfolgt wird. So wies der italienische Historiker und Begründer von Sant’ Egidio, Andrea Riccardi, jüngst bei der Vorstellung seines Buches „La Chiesa bruscia“ („Die Kirche brennt“) darauf hin, dass eine Reformdebatte zwar notwendig sei, nationale Alleingänge aber insofern skeptisch zu beurteilen seien, als ein gemeinsamer Weg zur Lösung der anstehenden Probleme gefunden werden müsse. Obwohl es noch zu früh ist, die Vorbereitung, den bisherigen Verlauf und die zu erwartenden Ergebnisse dieses facettenreichen Prozesses umfassend zu bewerten, dürfte es hilfreich sein, schon jetzt aus verschiedenen disziplinären Perspektiven einen kritischen – also unterscheidenden – Blick auf jene Themenbereiche zu werfen, die in den einzelnen Synodalforen bearbeitet werden.

In diesem Sinne weist der Mainzer Kirchenrechtler Matthias Pulte in seinem Beitrag zum Synodalforum 1 „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche“ zunächst darauf hin, dass sich die auf der Gewaltenteilung basierenden Prinzipien des demokratischen Rechtsstaates zwar „nicht mit der Idee von Kirche in Übereinstimmung bringen, wie sie von der kirchlichen Lehre aufgrund des biblischen Zeugnisses bisher tradiert worden ist“. Dennoch sei „heute schon mehr Partizipation aller Gläubigen an den entscheidungsrelevanten Themen in der katholischen Kirche möglich, als bisher in der Wirklichkeit umgesetzt wird“. Der in Frankfurt lehrende Kanonist Thomas Meckel weist in diesem Zusammenhang nicht nur darauf hin, dass Laien schon heute gemäß c. 129 § 2 in verschiedenen kurialen Leitungsfunktionen an der Ausübung der Vollmacht teilhaben können. Er betont auch die Notwendigkeit, die Begriffe der ‚Leitung‘, des ‚Amtes‘, des ‚Dienstes‘ und der ‚Vollmacht‘ zu differenzieren, um das berechtigte Anliegen einer stärkeren Partizipation von Laien zu befördern.

Im Blick auf das Synodalforum 2 „Priesterliche Existenz heute“ warnen der Paderborner Pastoralpsychologe Christoph Jacobs und der in Witten/Herdecke lehrende Mediziner Arndt Büssing davor, die unter massivem Veränderungsdruck stehende priesterliche Identität auf die zölibatäre Lebensform zu verkürzen. Vielmehr sei es erforderlich, das komplexe Zusammenspiel von Person und Umwelt zu entschlüsseln, um die psychologisch vielgestaltige priesterliche Existenzform angemessen zu verstehen. Konstruktive Ergebnisse des Forums seien angesichts der empirischen Befunde daher nur dann zu erwarten, wenn es gelinge, die Kollateralschäden der derzeitigen pastoralen Reformprozesse für die priesterliche Lebensqualität wahrzunehmen und „die Priester als Experten für ihre eigene Lebensform im Dialog für Reformen“ zu gewinnen. Der Freiburger Caritaswissenschaftler Klaus Baumann und der Münchener Psychiater und Anthropologe Eckhard Frick SJ ergänzen diese Überlegungen, indem sie daran erinnern, dass die retrospektive aktenbasierte MHG-Studie ausdrücklich keinen kausalen Zusammenhang zwischen dem Priesterzölibat und dem sexuellen Missbrauch Minderjähriger belegte. Eingedenk der empirischen Befunde der deutschen Seelsorgestudie empfehlen sie einen „umfassenden und präventiven Zugang“, der die „lebenslangen Entwicklungsaufgaben“ im Kontext einer zölibatären Lebensform fokussiert.

Das vorliegende Themenheft weist insofern eine empfindliche Leerstelle auf, als die beiden ursprünglich vorgesehenen Textbeiträge zum Synodalforum 3 „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“ von der Tübinger Dogmatikerin Johanna Rahner und ihrem Freiburger Kollegen Helmut Hoping infolge einer persönlichen Kontroverse zwischen beiden und dem Rückzug des Textes der ersteren nicht mehr in der geplanten Form realisiert werden konnten. Die mehrheitliche Entscheidung des Herausgebergremiums, die dadurch entstandene Lücke stehen zu lassen und nicht durch Ersatzbeiträge zu schließen, ist aus Sicht des Moderators dieses Heftes insofern zu bedauern, als sie die Chance vergibt, fachliche Kontroversen durch einen wissenschaftlichen Austausch von Sachargumenten auszutragen und damit sowohl den durch unnötige rhetorische Zuspitzungen forcierten binnenkirchlichen Polarisierungen in dieser Frage als auch dem Verdacht einer cancel culture, die sich unpopulärer Positionen durch Ausgrenzung ihrer Protagonisten zu entledigen versucht, konstruktiv entgegenzuwirken. Zum Synodalforum 4 „Leben in gelingenden Beziehungen“ liegen zwei Beiträge vor: Zunächst gibt der Trierer Moraltheologe Johannes Brantl aus der Perspektive eines direkt beteiligten Delegierten eine authentische Innenansicht der Debatte um die Weiterentwicklung katholischer Sexualmoral, die ihn angesichts massiver interner Spannungen zu der grundsätzlichen Frage motiviert, „ob denn in Kirche und Theologie überhaupt noch von einem halbwegs geteilten Menschen- und Weltbild ausgegangen werden kann“. Die sehr spezielle, von partikularen Interessen dominierte Agenda dieses Forums, die sich bereits in den Vorbereitungsveranstaltungen abzeichnete, bildet auch den Bezugspunkt meiner eigenen Überlegungen, die in thesenartiger Form vor allem auf solche Desiderate einer zeitgemäßen Sexualmoral verweisen, die aus den besonderen Gegebenheiten unserer Gesellschaft resultieren und daher in die direkte Zuständigkeit der hiesigen Kirchenleitungen fallen, deren Wahrnehmung und Bearbeitung jedoch schon seit längerem beharrlich verweigert wird.

Die Überlegungen zum Synodalen Weg werden abgeschlossen durch einen Beitrag des Augsburger Neutestamentlers Stefan Schreiber, der nach der Bedeutung des neutestamentlichen Zeugnisses für die aktuelle Reformdebatte innerhalb der katholischen Kirche fragt und dabei mit der Dezentralisierung, der Gleichrangigkeit und dem Machtverzicht drei Strukturprinzipien der ersten Gemeinden identifiziert, die sich auch heute noch als höchst aktuell erweisen.

Den Abschluss des Heftes bildet ein „Kritisches Forum“, in dem sich der Tübinger Patrologe Hans Reinhard Seeliger mit dem laufenden Prozess der Umwandlung von Kirchengebäuden auseinandersetzt. Obwohl das Thema längst bei Architekten und Stadtplanern angekommen ist, handelt es sich nicht nur um ein gestalterisches und organisatorisches Problem, sondern um ein „Zeichen einer sich grundsätzlich wandelnden Zeit“, das insofern auch von theologischer Relevanz ist, als sich die säkulare Gesellschaft nach dem Ende des „konstantinischen Zeitalter“ nunmehr anschickt, „Kirchengebäude als hybride Bauten für ihre Zwecke zu nutzen“. Damit werden wir zu Zeugen von Prozessen, die bereits aus dem 4. Jahrhundert bekannt sind und jetzt in umgekehrter Richtung verlaufen.

Die hier versammelten Beiträge zeichnen das Bild einer Kirche im Wandel, die sichtbar darum ringt, aus den katastrophalen Fehlern der Vergangenheit zu lernen und tastend einen Weg in ihre zukünftige Gestalt sucht, deren Konturen bislang kaum erkennbar sind.

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