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Leseprobe 2 DOI: 10.14623/thq.2021.1.35–52
Georg Röwekamp
Das Heilige Land – ein „fünftes Evangelium“?
Zusammenfassung
Das Heilige Land wird gern als „fünftes Evangelium“ bezeichnet. Dabei stammt dieser Ausdruck nicht von Hieronymus, sondern von Ernest Renan, der bei einem Besuch des Landes den Glauben an die Göttlichkeit Jesu verloren hatte. Ein Durchgang durch die frühchristliche Theologie kann zeigen, wie sich die Vorstellung von einem „heiligen Land“ und die Erinnerungslandschaft mit „heiligen Stätten“ im Christentum entwickelt haben und welchen theologischen Wert diese Größen heute haben können – und welchen nicht.

Abstract

The Holy Land is often called the ‘fifth gospel’. However, this expression comes not from Jerome but from Ernest Renan, who lost faith in the divinity of Jesus when visiting the land. A tour through early Christian theology shows how the idea of a ‘holy land’ and a memory landscape with ‘holy places’ developed in Christianity and what theological value these issues can and cannot have today.

Schlüsselwörter/Keywords
Fünftes Evangelium; Heiliges Land; Heilige Stätten; Erinnerungslandschaft; Pilgerwesen; Sakrament
Fifth Gospel; Holy Land; holy places; memory landscape; pilgrimage; sacrament

P. Bargil Pixner (1921–2002), Mönch der Jerusalemer Dormitio-Abtei, schreibt in seinem Buch über Jesus in Galiläa: „Gott hat sich den Menschen offenbart, nicht nur in bestimmten Zeitabschnitten der Geschichte, sondern auch an ganz bestimmten Orten seiner Schöpfung. [[…]] So kann der Boden des Heiligen Landes […] als ‚Fünftes Evangelium‘ verstanden werden, wie sich schon andere ausgedrückt haben. Wer in diesem Buch der biblischen Landschaft zu lesen gelernt hat, dem öffnet sich mit neuer Klarheit die Botschaft der vier Evangelien.“1

Der Ausdruck „fünftes Evangelium“ wird vielfach dem hl. Hieronymus zugeschrieben, der ab 386 n. Chr. in Bethlehem lebte. Doch findet sich der Ausdruck in seinen Werken nicht. Und unabhängig davon – was bedeutet es denn eigentlich, wenn das Land als fünftes Evangelium bezeichnet wird? Und stimmt es?

„Evangelium“ – das ist die „Gute Nachricht“ von Jesus als dem Christus. Verkündet das Land diese Botschaft? Nein, meine ich. Das Land selbst ist indifferent. Es verkündet als solches gar nichts. Es mag der Resonanzboden sein, der dem Evangelium seinen Klang gibt und verständlich macht, warum es so und nicht anders „klingt“, aber das ist alles. Nicht wenig, aber kein Evangelium.

Auf der Suche nach den „anderen“, von denen Pixner sprach, stößt man auf Ernest Renan und sein einst ungeheuer populäres Buch „Das Leben Jesu“ von 1863. Im Vorwort schreibt er: „Neben dem Textstudium habe ich eine zweite Quelle der Aufklärung benutzen können: ich besuchte nämlich die Orte, wo diese Ereignisse sich abspielten. Die wissenschaftliche Expedition zur Erforschung des alten Phönizien, die ich in den Jahren 1860 und 1861 geleitet habe, veranlasste mich an der Grenze Galiläas meinen Aufenthalt zu nehmen und oft dahin zu reisen. […] Und dadurch nahm die ganze Geschichte, die nach so langer Zeit ein idealistisches Gebilde zu sein schien, derart Form und Körper an, dass ich ganz erstaunt wurde. Die überraschende Übereinstimmung der Texte mit den Örtlichkeiten, die wunderbare Harmonie des evangelischen Ideals mit der Landschaft, die ihm als Rahmen diente, wirkten auf mich wie eine Offenbarung. Ich sah ein fünftes Evangelium, das freilich zerrissen war, aber doch leserlich […].“2

Renan hatte zunächst katholische Theologie studiert, aber 1845 das Priesterseminar verlassen, da ihm – u. a. nach Beschäftigung mit der Exegese der evangelischen Tübinger Schule – Zweifel an der Historizität der Schrift gekommen waren. Diese wurden ihm nun durch die Reise ins „Heilige Land“ gerade nicht genommen. Vielmehr meinte er hier den von Dogmen unverfälschten Jesus zu finden, der von den Jüngern nach seinem Tod zum Gott erklärt wurde. Dass auch der Jesus, den er auf diese Weise (er-)fand, mit dem „historischen Jesus“ nur wenig zu tun hat, wird schon daran deutlich, dass die von ihm verkündete Religion – laut Renan – von allen jüdischen Einflüssen frei ist.3

Aber entscheidend ist: Dieses „fünfte Evangelium“4 bestätigte für Renan gerade nicht die „Wahrheit“ der vier kanonischen Texte, sondern half bei deren „Entmythologisierung“ und ließ nur den Menschen Jesus von Nazaret zurück.

Dabei ist diese „Gefahr“ auch heute vorhanden: „Wer im Heiligen Land lebt, an den sogenannten ‚Stätten unseres Heils‘, wird nur allzubald mit der Tatsache konfrontiert, wie leicht das historische Fundament zu erschüttern ist, auf welchem der christliche Glaube sein Dogmengebäude errichtet“, schreibt z. B. Joachim Negel.5 Wie aber ist das Konzept eines christlichen „Heiligen Landes“ entstanden? Und was ist dieses „heilige Land“ mit seinen „heiligen Stätten“ dann für Christen?

Biblische Positionen

Die Bibel ist im Ganzen skeptisch gegenüber „heiligen Orten“. Wenn sie von „heiligem Boden“, „heiligem Land“ spricht, dann dort, wo ein Ort durch eine Theophanie „geheiligt“ ist (vgl. Ex 3,5). Heiligkeit wird begründet durch ein Widerfahrnis, von dem erzählt wird – gegebenenfalls wird an und zu einem vorgefundenen Kultort nachträglich eine Gründungslegende erzählt, die ihn mit der Heilsgeschichte verbindet. Und auch wenn es heißt: „Der HERR wird Juda in Besitz nehmen als seinen Anteil im Heiligen Land, und er wird Jerusalem wieder auserwählen“ (Sach 2,16), wird deutlich, dass die Heiligung von Gott ausgeht und die Erwählung sich v. a. auf Jerusalem bezieht: Kult ist dort möglich, wo der HERR seines Namens gedenken lässt (vgl. Ex 20,24). Dies ist auch die Grundlage für das Konzept des Talmud von einer „abgestuften Heiligkeit“ mit zehn Stufen der Heiligkeit des Landes, in dessen Zentrum Jerusalem liegt.6

Zwei Besonderheiten sind zu erwähnen: Zum einen besaß Israel (ursprünglich zwei) „wandernde“ heilige Orte – die Lade und das Offenbarungszelt (vgl. u. a. 1 Kön 8,4). Und ein so bedeutender Flecken des „heiligen Landes“ wie der Gottesberg mit dem brennenden Dornbusch wurde in der jüdischen Tradition nie genau lokalisiert oder in den Kult einbezogen – ein Stück „negativer Theologie“ in Bezug auf heilige Orte.7

Die „Landverheißung“ spielt aber auch im Neuen Testament eine Rolle: „Selig die Friedfertigen, denn sie werden das Land erben“, heißt es in der Bergpredigt (Mt 5,5). Andere Texte relativieren die Bedeutung Jerusalems und des (heiligen) Landes: Auf die Frage der Samariterin, ob man auf dem Garizim oder in Jerusalem anbeten solle, antwortet Jesus, dass die wahren Beter ihn weder hier noch dort, sondern „im Geist und in der Wahrheit“ anbeten werden (vgl. Joh 4, 21–24). Eine größere Rolle spielt dagegen das himmlische „Gegenstück“ Jerusalems, das „obere“ (vgl. Gal 4,26), das „neue Jerusalem“, das vom Himmel herabkommen wird (vgl. Offb 21,1–2). Die Gläubigen sind zu diesem Jerusalem, zu diesem Berg Zion hinzugetreten (vgl. Hebr 12,21).

Frühchristliche Theologen über das „Heilige Land“

Die Frage, was es mit dem (irdischen) Jerusalem und dem Land – weiterhin – auf sich hat, und wer es „erben“ wird, ist in der frühchristlichen Theologie, u. a. in der Auseinandersetzung mit dem Chiliasmus, deutlich präsent.8

Justin, aus Flavia Neapolis (heute Nablus) in Palästina stammend, behandelt die Frage v. a. in Auseinandersetzung mit Markion. Im „Dialog mit dem Juden Tryphon“ macht er seine Position klar: Weil der Gott des Alten Testaments auch der Gott des Neuen ist, gelten die Verheißungen für das „heilige Land“ und den Wiederaufbau Jerusalems weiterhin.9 In seiner Apologie für Kaiser Hadrian hat darüber hinaus das aktuelle Palästina „Zeugnischarakter“: Die Zerstörung durch die Römer belegt die Messianität Jesu.10 Deshalb sind die ersten „Pilgerziele“ auch Orte der Verwüstung: Der Märtyrer Pionius besucht Anfang des 3. Jahrhunderts n. Chr. die „verbrannte Erde“ am Toten Meer, um das Gericht Gottes über Sodom zu „sehen“.11

Mit der zunehmenden Ablehnung der chiliastischen Vorstellung vom tausendjährigen Reich ist dann aber auch die „Abwertung“ des irdischen Landes Judäa verbunden. Tertullian sieht deshalb das Land als heilig nur für die Juden an – weil sich die Heiligkeit von den Opfern herleitet.12 Und in seiner Schrift über „Die Auferstehung der Toten“ macht er deutlich, dass das „heilige Land“ für Christen der „Leib des Herrn“ ist – er, d. h. die Kirche, ist „wahrhaftig heilig durch die Einwohnung des heiligen Geistes, wahrhaft von Milch und Honig fließend durch die Süßigkeit seiner Hoffnung, wahrhaft Judäa durch die Vertrautheit mit Gott.“13

Wie so oft wurde die weitere theologische Entwicklung geprägt von Origenes aus Alexandrien. Seine Haltung zum Heiligen Land ist einerseits geprägt von einer deutlichen „Spiritualisierung“. Mit einer antijudaistischen Spitze führt er in seiner Widerlegung der polemischen Schrift des Kelsos aus: „Dies [die römische Eroberung von Judäa] ist geschehen, weil das Blut Jesu durch ihr Komplott auf ihre Erde geflossen ist, welche daraufhin die nicht mehr tragen konnte, die eine so ungeheure Freveltat an Jesus gewagt hatten.“14 Mit dem Land, das von Milch und Honig überströmt, „ist nicht, wie einige glauben, das Judäa hier unten gemeint, das auf der Erde liegt, die durch die Werke der Übertretung Adams verflucht ist“. Es sei klar, „dass von dem Fluch alle ihre Teile betroffen sind, worunter sich auch das jüdische Land befindet“, „[…] wenn sich auch aufzeigen lässt, dass Judäa und Jerusalem sinnbildlich ein Schattenbild der reinen, ‚guten und weiträumigen Erde‘ [Ex 3,8] darstellen, die in einem reinen Himmel liegt, wo sich das ‚himmlische Jerusalem‘ befindet.“15

Wegen dieser Beziehung zwischen irdischen und geistlichen Dingen ist das Heilige Land sozusagen eine „Seelenlandschaft“ – die Orte entsprechen geistigen „Zuständen“ oder sind „Stationen“ eines geistlichen Weges, wie er z. B. in seiner Auslegung des Wüstenzugs der Israeliten gemäß dem Buch Numeri darlegt. So sind die Orte Sukkot – übersetzt mit „Zelte“ – und Butan – übersetzt mit „Niederung“ – (vgl. Num 33,5f LXX) Bilder für den Zustand der Seele (Heimatlosigkeit, Depression) auf dem Weg durch die Wüste in die Freiheit, und man muss mindestens die Bedeutung der Namen kennen, um diese Dimension wahrzunehmen.16 Im Heiligen Land selbst ermöglicht z. B. der Höhenunterschied zwischen Jerusalem und Jericho die allegorische Deutung des Mannes, der unter die Räuber fiel, auf den „Abstieg“ und Fall der Menschheit, die dann durch den Samariter Jesus gerettet wird.17

Anhand der Stadt Jericho verdeutlicht Origenes auch, dass es zwar keine „an sich“ heiligen Orte gibt, aber eben doch durch die Gegenwart Gottes „geheiligte Orte“: „Wie kann Jericho ‚heiliges Land‘ sein, da es doch von den Feinden besetzt wird? Doch das ist offensichtlich nicht gemeint, denn wohin auch immer der Fürst des Tugendheeres kommt, heiligt er den Ort. Jericho war kein heiliger Ort, sondern weil der Anführer des Heeres des Herrn dorthin gekommen war, wird der Ort heilig genannt. Ich will noch etwas mehr wagen und sage, dass auch dort, wo Mose stand, der Ort nicht an sich heilig war, sondern weil der Herr bei Mose stand, heiligte die Gegenwart des Herrn den Ort, und deshalb wurde zu ihm gesagt: ‚Zieh deine Schuhe aus, denn der Ort an dem du stehst, ist heiliges Land.‘“18

Auch deshalb verdanken wir Origenes wichtige frühe Hinweise zu biblischen Orten und deren Lokalisierung – berühmte Beispiele sind Betlehem und Gerasa.19

Eusebius von Cäsarea war Schüler des Märtyrers Pamphilus, der in Cäsarea das Erbe des Origenes (inklusive seiner Bibliothek) gepflegt hatte. Damit ist auch Eusebius „Origenist“ und lehnt eine besondere religiöse Qualität des Landes ab. Dieses ist nur ein „Winkel“ der Welt, während die christliche Botschaft die ganze Welt betrifft.20 Die alttestamentlichen Verheißungen bezogen sich zwar auf Judäa, aber Jesus hat in den Seligpreisungen ein besseres Land im Himmel verheißen.21 Und wenn es auch in den Psalmen heißt, dass Juda das Land ist, wo Gott bekannt ist (vgl. Ps 76 [75[],2f), so bedeutet das für Christen: Nicht (nur) da, wo Judäa liegt, wird Gott erkannt, sondern da, wo es Gotteserkenntnis gibt, ist Judäa – und das gilt für die in der ganzen Ökumene errichtete Kirche.22

Auf der anderen Seite war auch Eusebius am konkreten Palästina nicht uninteressiert. Als Hilfsmittel für die Exegese verfasste er nicht weniger als vier geographische Werke. Im Vorwort zum einzig erhaltenen, dem „Onomastikon der biblischen Ortsnamen“ aus der Zeit um 300 n. Chr., listet Eusebius fast eintausend biblische Ortsnamen auf. In vielen Fällen gibt Eusebius an, wo sie liegen, gegebenfalls wie sie zu seiner Zeit heißen und in welchem Zustand sie sich befinden. Dabei spielen Ruinen, die „bis heute gezeigt werden“, eine besondere Rolle.23 Besonders bedeutsam ist für Eusebius das zerstörte Jerusalem: „Bis jetzt also ist es möglich, mit eigenen Augen die Brandtrümmer der Stadtplätze zu sehen, für diejenigen, die nach dem Orte reisen.“24 Und tatsächlich reisten schon in vorkonstantinischer Zeit „Pilger“ nach Jerusalem und schauten sich die verwüstete Stadt an: Sie gingen auf den Ölberg, der Jerusalem gegenüber liegt und der für sie an die Stelle des alten und irdischen Jerusalem und seines Kultes getreten ist. Der Ölberg war der neue (heilige) Ort, „wo seine Füße standen“ (vgl. Ps 131,7 LXX), als er die Stadt preisgab.25

Das Werk des Eusebius im Ganzen „zeigt“ somit die Wirklichkeit und Wahrheit der biblischen Geschichte. Es bringt den „Winkel“ des Imperiums sozusagen auf die Landkarte der antiken Welt, indem sie die biblischen Orte in die Gegenwart der antiken Welt einschreibt. Das ist noch etwas anderes als die Ausgestaltung Palästinas zur monumentalen Erinnerungslandschaft – aber eine „mental map“, eine innere Landkarte existiert damit bereits und bereitet so die „Erfindung des Heiligen Landes“ vor. Auch Golgota wird im Onomastikon lokalisiert – und zwar „nördlich des Zion“.26 Dort beginnt dann 25 Jahre nach dem Onomastikon des Eusebius der Bau neuer Erinnerungsstätten.

Die Entstehung einer Erinnerungslandschaft


Kurz nach dem Konzil von Nizäa befahl Konstantin, den paganen Haupttempel im Zentrum Jerusalems niederzulegen. Ob der Neubau an dessen Stelle von Anfang an als Erinnerungsort der Kreuzigung und Auferstehung Jesu geplant wurde, ist nicht ganz klar. Möglicherweise hat erst die Auffindung des Kreuzes (bzw. dessen, was man dafür hielt) und des Grabes den Anlass für den Bau in seiner endgültigen Form geliefert. Das Grab kam nach Aussagen des Eusebius (der die Kreuzauffindung und Golgota überhaupt nicht erwähnt) „wider alle Hoffnung“ zum Vorschein, so dass es selbst ein Gleichnis für das Wiederaufleben des Erlösers wurde.27 Jedenfalls stand im Vordergrund zunächst das Ersetzen des heidnischen Bauwerks.28

Die Reise der Kaiserinmutter Helena, die den Ehrentitel Augusta trug, ins Heilige Land im Jahr 327 n. Chr. war (noch) keine Pilgerreise zu heiligen Stätten. Sie ist eher im Rahmen der kaiserlichen Rundreisen durch ganze Regionen und Provinzen zu sehen (itinera principum), bei denen es nicht zuletzt um Repräsentation des Imperiums vor Ort und um Zurschaustellung von Wohltätigkeit ging.29 Allerdings kamen religiöse Anliegen hinzu: „Als sie den Fußspuren des Erlösers die gebührende Verehrung entgegen brachte – entsprechend dem prophetischen Wort ‚Lasst uns den Ort anbeten, wo seine Füße standen‘ [Ps 131,7 LXX] – hinterließ sie sofort die Frucht ihrer Frömmigkeit auch den späteren Generationen“.30 Konkret: Auf Veranlassung der Augusta hin wurden Kirchen auf dem Ölberg und in Bethlehem errichtet, wo – anders als bei der Grabeskirche – zwei bereits zuvor verehrte „mystische Höhlen“ direkt in den Bau einbezogen wurden.31

Mit diesen „konstantinischen Bauten“ waren die ersten christlichen Erinnerungsorte monumental ausgestaltet – wobei die Baugeschichte m. E. deutlich macht, dass dahinter vermutlich kein Gesamtkonzept zur Überbauung der im Glaubensbekenntnis von Nizäa implizit erwähnten Orte stand.32

Anders als man erwarten könnte, spielte der lokale Klerus bei der Entwicklung dieses Konzeptes kaum eine Rolle.33 Auch Eusebius hat seine Einstellung zu diesem Konzept – wenn überhaupt – erst spät geändert.34 Zwar bezeichnet er einmal die Grabeskirche als „neues Jerusalem“, das anstelle des alten, zerstörten errichtet wurde, und bringt sie sogar mit der himmlischen Stadt in Verbindung.35 Aber was auf den ersten Blick als Überbewertung einer bzw. dieser heiligen Stätte erscheinen kann, liegt ganz auf der Linie seiner früheren Theologie, der zufolge „die Kirche“ das neue Jerusalem ist – nur wird das jetzt auch konkret auf ein Kirchengebäude bezogen: Ähnlich hatte er schon bei der Weihe der Kirche in Tyrus argumentiert.36

Dennoch bot schon die vollendete Grabeskirche Ansatzpunkte für die Verehrung von „heiligen Stätten“: Der vom Götzendienst gereinigte Ort wird von Konstantin selbst angesehen als einer, „der von Anfang an durch das Urteil Gottes heilig gewesen ist, sich aber als noch heiliger erwiesen hat, als er den Beweis für das Leiden des Erlösers ans Licht gebracht hat.“37 Das unspezifische Konzept von „heiligen Orten“ wird ab nun mit der spezifisch christlichen Überzeugung von der Heiligung spezieller Stätten durch Ereignisse der Heilsgeschichte verbunden.

Die ersten Pilger im Heiligen Land


Der älteste uns bekannte Besucher dieser Stätten (oder war es eine Besucherin?38), der sog. Pilger von Bordeaux, machte um 333 noch eine Art religiöse Bildungsreise: Bevor er nach Palästina kam, besichtigte er auch „weltliche“ Sehenswürdigkeiten wie die Gräber von Hannibal und Euripides, die Heimatstadt Alexanders und ein berühmtes Pferdegestüt.39 In Palästina selbst besuchte er dann überwiegend alttestamentliche Orte (23 gegenüber 7 neutestamentlichen), vor allem Gräber. In Jerusalem und Betlehem sah er die „auf Geheiß Konstantins“ (!) errichteten Basiliken, Galiläa berührte er auf seiner Route (noch) gar nicht. Vermutlich ist der Hauptgrund dafür, dass viele Orte noch nicht identifiziert/lokalisiert waren und es auch noch keine entsprechende Infrastruktur gab bzw. Reiseführer, die zu diesen Orten führen konnten.

Ganz anders sah es Ende des 4. Jahrhunderts aus. Da empfing Hieronymus seine römischen Freundinnen Paula und Eustochium in Antiochien und absolvierte ein eindrucksvolles Besichtigungsprogramm.40 Es existierte nun eine gewissermaßen vollständige Erinnerungslandschaft mit Kirchen an vielen Orten. Und die Pilger(innen) nahmen bald – laut ihren Berichten – im Land fast nur noch heilige Stätten wahr. Gegen Ende der byzantinischen Zeit gab es etwa 500 – heute archäologisch oder literarisch bezeugte – Kirchen im Land!41

Hieronymus reflektiert denn auch, was es mit diesem Land auf sich hat. Zum einen ist es eine Hilfe für das Verständnis der Heiligen Schrift: „Wer Athen gesehen hat, lernt die griechische Geschichte besser verstehen, und wer von Troja […] nach Sizilien und weiter zur Tibermündung gefahren ist, der begreift das dritte Buch Vergils. Gerade so sieht man auch die Heilige Schrift mit anderen Augen an, wenn man Judäa besucht hat und die alten Stätten und Landschaften kennt.“42

Bezüglich der „Heiligkeit“ des Landes ist seine Haltung allerdings zwiespältig. Ganz im Sinne des Origenes kann er biblische Texte spiritualisieren. Bei der Auslegung des Buches Sacharja deutet er die „offene Stadt“ Jerusalem auf die Kirche.43 In einem Brief an Dardanus zu der Frage, welches denn das „Land der Verheißung“ sei, stellt er fest, dass dies nicht Judäa sei – mit Berufung auf Psalm 27,2, wo David, selbst im Land Israel wohnend, von der Sehnsucht nach dem „Land der Lebenden“ spricht.44

Und auch in einem Brief von 395/6 an Paulinus von Nola (den er kurz zuvor noch zur Übersiedlung ins Heilige Land aufgefordert hat45), schreibt er skeptisch: „Man verdient noch keine Anerkennung, wenn man in Jerusalem gewesen ist, sondern erst dann, wenn man in Jerusalem gut gelebt hat. Die Stadt Jerusalem, die man aufsuchen soll, ist nicht jene, welche die Propheten getötet und das Blut Christi getrunken hat, sondern jene, die […] der Apostel die Mutter der Heiligen nennt […].

Die Stätten der Auferstehung und der Kreuzigung werden nur denen nützen, die ihr Kreuz tragen, täglich mit Christus auferstehen und sich einer solch erhabenen Wohnstätte würdig machen. […] Der himmlische Hof steht sowohl von Jerusalem wie von Britannien aus in gleicher Weise offen; denn das Reich Gottes ist in uns.“46

Andererseits: Kurz nach seiner Ankunft im Land setzt er sich in einem anderen Brief mit Leuten auseinander, die eine besondere Qualität des Landes bestreiten: „Einst verehrten die Juden das Allerheiligste [des Tempels] […] Scheint Dir das Grab des Herrn nicht viel mehr der Verehrung würdig zu sein? Jedesmal, wenn wir es betreten, schauen wir im Geiste den Erlöser, der im Linnentuch im Grabe liegt. Und wenn wir dort etwas verweilen, dann sehen wir den Engel, der zu seinen Füßen sitzt […] Einigen dünkt dieses Land ein verfluchtes Land, weil es das Blut des Herrn getrunken hat. Wie können aber dann die Stätten gesegnet sein, an denen Petrus und Paulus […] ihr Blut für Christus vergossen haben? Wenn das Martyrium der Diener, die nur Menschen waren, etwas Herrliches ist, warum soll dann das Martyrium unseres Herrn und Gottes nicht herrlich sein?“47

Dabei bedeuten diese unterschiedlichen Akzente nicht unbedingt eine grundsätzliche Änderung der Haltung des Hieronymus – Stimmungen und die jeweilige persönliche Situation spielen bei den unterschiedlichen Akzentsetzungen eine wichtige Rolle.48 Scheinbar widersprüchlich ist auch die Haltung des Gregor von Nyssa. Dieser unternahm 381 eine Pilgerreise nach Jerusalem und erwähnt in einem Brief die dabei gemachten positiven Erfahrungen. Wenige Monate später rät er jedoch dem Vorsteher eines Klosters in Kappadokien von einer Pilgerreise ab. Er verweist darauf, dass es im Christentum das Gebot der Wallfahrt nicht gebe: „Nähe zu Gott schafft nicht die örtliche Veränderung, sondern Gott wird, wo immer Du sein magst, zu Dir kommen, wenn die Herberge Deiner Seele so befunden wird, dass der Herr in Dir wohnen kann.“ Die heiligen Stätten könnten besonderen Rang beanspruchen, wenn der Herr dort noch leiblich zugegen wäre oder wenn der heilige Geist dort besonders kräftig wirke. Tatsächlich gebe es aber keine Form von Unreinheit, die in Jerusalem nicht gewagt würde – Prostitution, Ehebruch, Diebstahl, Intrige und Mord. Deshalb, so schließt er: „Rate den Brüdern, vom Körper weg zum Herrn aufzubrechen und nicht von Kappadokien nach Palästina.“49

Dieser Brief wird häufig zitiert. Wie sind die unterschiedlichen Stellungnahmen zu erklären? Tatsächlich scheint der erste Brief der Versuch eines Intellektuellen zu sein, das – auch ihm nicht fremde – Bedürfnis, das Heilige Land zu besuchen, mit seiner (von Origenes geprägten) Theologie in Einklang zu bringen. Man muss die „rettenden Symbole des uns lebendig machenden Gottes“ „geistlich wahrnehmen“ und nicht nur „physisch sehen“. Und die wirklichen Zeichen der Gegenwart des Herrn sind in den Menschen zu finden: In der Begegnung mit seinen Mitpilgern kommt es dazu, „dass man glaubt, dass wirklich im Herzen dessen, der Gott besitzt, Betlehem, Golgota, der Ölberg und die Anastasis ist. […] An denjenigen werden die Denkmäler der Liebe des Herrn geschaut, die mit Christus gekreuzigt sind, die den schweren Stein des irdischen Truges von sich gewälzt haben, der aus dem Grab des Körpers herausgegangen ist, um in einem neuartigen Leben zu wandeln.“

Nutzung der heiligen Stätten


Die religiöse Qualität des „Landes der Bibel“ ist – wie gesehen – theologisch schwer zu fassen. Deutlich wird allerdings auch, dass es darauf ankommt, was mit denen geschieht, die sich dort aufhalten – anders gesagt: wie dieses Land von ihnen „genutzt“ wird.

Das galt schon für die ersten Pilger, die durch die zerstörten Orte die Verheißungen Jesu bestätigt sahen. Cyrill von Jerusalem, Bischof von 348–386, verweist dazu in den Taufkatechesen auf den Zeugnischarakter der Orte.50 Da die Predigten in der Grabeskirche stattfinden, kann er sagen: „Der Herr ist gekreuzigt worden. Dafür hast du Zeugnisse. Du siehst den Golgota […].“51 Und durch das Begräbnis Jesu in der Erde des Landes ist für ihn der Fluch, der (eigentlich) auf dem Lande liegt und den Origenes noch zur Begründung seiner ablehnenden Haltung benutzt hat, gleichsam aufgehoben: „Über Adam erging das Strafurteil: ‚Verflucht sei die Erde in deinen Werken. Dornen und Disteln soll sie dir tragen‘ [Gen 3,17f]. Jesus nimmt deshalb die Dornen auf sich, um das Strafurteil aufzuheben. Und deshalb wurde er in der Erde begraben, damit die verfluchte Erde statt Fluch Segen empfange.“52 Und wenn er betont, dass alle anderen Gläubigen von Christus nur hören, „wir“ ihn aber sehen und berühren können, klingt so etwas wie Stolz durch.

Diese Haltung wird auch deutlich in den christologischen Auseinandersetzungen des 5. Jahrhunderts. Die Führer des chalkedonensischen Mönchtums in Palästina, Sabas und Theodosius, verweisen in einem Brief an den Kaiser darauf, dass die Orte der Wunder und des Leidens die göttliche und die menschliche Natur Jesu Christi belegen. Wörtlich heißt es: „Von diesem kostbaren und übernatürlichen Geheimnis Christi, das sich hier verwirklicht hat und durch das siegreiche und kostbare Kreuz, durch die lebenspendende Auferstehung und wahrlich auch durch die verehrungswürdigen heiligen Stätten, wurde uns, allen Bewohnern dieses Heiligen Landes, von Anfang an durch die seligen Apostel das wahre und untrügliche Bekenntnis und der Glaube überliefert. […] So berühren die Bewohner von Jerusalem sozusagen täglich mit ihren Händen die Wahrheit durch die ehrwürdigen Orte, an denen sich das Geheimnis der Menschwerdung unseres großen Gottes und Retters vollzogen hat. Wie also sollen wir, die Bewohner von Jerusalem, nach mehr als fünf Jahrhunderten, seitdem Christus unter uns gelebt hat, über den Glauben belehrt werden?“53

Ähnlich argumentiert auch Leo I. gegenüber dem Patriarchen Juvenal, wenn er in einem Brief von 454 schreibt, dass jeder christliche Bewohner Jerusalems die Kraft des Evangeliums nicht nur aus den sprechenden Seiten, sondern auch durch das Zeugnis der Stätten erkennen könne.54

Überhaupt ist der Beitrag der Mönche für die Entstehung des „Heiligen Landes“ nicht hoch genug einzuschätzen: Zum einen waren sie – „die Heiligen vor Ort“ – für mache Pilgerinnen, wie z. B. Egeria, die selbst nicht (wie oft behauptet) Nonne war55, diejenigen, die die Heiligkeit des Landes ausmachten.56 Zum anderen waren sie es, die nicht wenige Orte identifizierten und die Pilger(innen) dorthin führten – besonders deutlich ist das z. B. beim Moseberg im Sinai.57

Aber es blieb nicht bei der „Nutzung“ der Stätten in der dogmatischen Diskussion. Bischof Cyrill (und sein Nachfolger Johannes II.) entwickelten schon ab der Mitte des 4. Jahrhunderts ein Konzept der christlichen Initiation, in dem die Taufe als rituelle Nachahmung von Tod und Auferstehung gestaltet wurde: Im Baptisterium der Grabeskirche werden die Täuflinge nun durch sakramentale Nachahmung im Wasser begraben und stehen auf zu einem neuen Leben – eine neue Form der existenziellen Aneignung dessen, wofür die Stätten stehen.58

Auch die in Jerusalem gefeierte Liturgie, wie sie die Pilgerin Egeria Ende beschreibt, dient dazu, v. a. die Ereignisse des Lebens Jesu nachzuahmen. Sie bewundert, dass alle Feiern „passend zu Tag und Ort“ stattfinden.59 Durch das Nachgehen der Wege Jesu etwa vom Ölberg in die Stadt oder zum Garten Getsemane und durch die dramatische Inszenierung z. B. der Vigil an jedem Sonntag vollziehen die Teilnehmer(innen) die Heilsgeschichte innerlich mit: „Man bringt Weihrauchgefäße in die Grotte der Anastasis hinein60, […] dann nimmt der Bischof […] das Evangelium, trägt es bis zur Tür und liest dort selbst die Auferstehung des Herrn. Wenn er begonnen hat zu lesen, brechen alle in ein solches Jammern und Klagen und in solche Tränen aus, dass selbst der Härteste zu Tränen darüber gerührt werden kann, dass der Herr so Großes für uns auf sich genommen hat.“61 In gewisser Weise macht erst die von Egeria bezeugte öffentliche „Stationsliturgie“ Jerusalem zu einer sichtbar christlichen Stadt (zumal sicher noch lange nicht alle Einwohner Christen geworden sind). Auch die vielen Orte, an denen biblische Ereignisse lokalisiert werden, sucht Egeria nicht „einfach so“ auf: Überall werden „Wallfahrtsandachten“ gehalten, die durch Schriftlesung, Psalm und Gebet das Erzählte vergegenwärtigen und eine „Antwort“ der Reisenden ermöglichen.62

Spätestens im 5. Jahrhundert gibt es also das, was man bis heute als „Heiliges Land“ bezeichnet – jedenfalls im Bewusstsein der christlichen Bewohner(innen) des Landes und der Pilger(innen). Für sie gibt es zahlreiche „heilige Orte“, „Orte, wo …“. Sie sind aber Teil eines Landes, das für sie zunehmend als Ganzes eine besondere Qualität hat. Deshalb kann sogar Erde, die von dort mitgebracht wird, als „terra sancta“ bezeichnet werden: In „Reliquienkästchen“ wurden Steine von den wichtigsten heiligen Orten (Betlehem, Jordan, Golgota, Grab, Ölberg) mit in die Heimat genommen. Augustinus errichtete über solch einem Stück Erde ein Bethaus und berichtet von Heilungen, die darin passierten.63 Bei Pilgerreisen wurde das Berühren von Dingen und Orten, das „Mitnehmen ihres Segens“ immer wichtiger.64

Weiterentwicklungen


Es erscheint bemerkenswert, dass diese Vorstellung vom christlichen Heiligen Land nicht an der christlichen Herrschaft über das Gebiet hing. Als 614 zuerst die Perser das Land eroberten und ab 636 die Araber, war das zwar ein Einschnitt für die Bevölkerung, aber keine totale Infragestellung des eigenen Selbstverständnisses wie es z. B. die Eroberung Roms durch die Goten im Jahr 410 gewesen war (und auf die Augustinus mit seinem „Gottesstaat“ geantwortet hatte).

Zwar kam es zu einem Wiederaufleben apokalyptischer und chiliastischer Ideen: Ein Ps.-Methodius entwickelte gegen Ende des 7. Jahrhunderts die Vorstellung einer endzeitlichen Restitution des Heiligen Landes durch einen großen „König der Griechen“. Aber das Land behielt für die Christen seine besondere Qualität als Zeugnis für die Wahrheit: Etwas später entstand ein Werk namens „Kitab a-Burhan“ (etwa: „Buch des Nachweises“), das unter dem Namen des Eutychius von Alexandrien (877–940) überliefert ist.65 Darin führt der Autor eine lange Liste von Kirchen auf, die die Heilsereignisse „bezeugen“ – ob damit auf das „bezeugen“ im muslimischen Glaubensbekenntnis angespielt wird66 oder einfach die Linie des Cyrill (s. o.) fortgeführt wird, sei dahingestellt. Alle Orte, „die Gott durch seine Erscheinung an ihnen geheiligt hat, wo er zu seinen Propheten gesprochen hat oder wo seine Wunder gesehen wurden, sind ein Erbe und Versprechen des künftigen Himmelreiches.“67

Auch die Kreuzfahrerzeit bringt bezüglich des theologischen Konzeptes nichts grundsätzlich Neues – wobei der Gebrauch des Ausdrucks „terra sancta“ erst jetzt (im Westen) allgemein üblich wird.68 Hinzu kommt lediglich die Vorstellung eines bestehenden Rechtsanspruches auf den Besitz des Heiligen Landes. Im Rahmen der Lehensvorstellung bedeutet das, dass die Kreuzfahrer ihren Zug als „gerechten Krieg“ verstehen, in dessen Zug sie ihrem obersten Lehensherrn Christus sein angestammtes Erbe zurückgeben. Juristisch versteht man das im 13. Jahrhundert in der Form, dass das Heilige Land nach dem Tod Christi in einem gerechten Krieg von Rom erobert wurde. Und da der Papst (dank konstantinischer Schenkung) Erbe des Reiches ist, darf er das Land zurückfordern bzw. von den Kreuzfahrern zurückerobern lassen.

Gegen die ausschließlichen christlichen Ansprüche hatten übrigens schon gegen Ende der byzantinischen Zeit jüdische Stimmen Einspruch erhoben: In den Apokalypsen des Elija und des Zerubbabel wurde die Bedeutung des Landes von jüdischer Seite her besonders deutlich betont.69 Nun wurde (in Form von Legenden und Erzählungen) „nachgewiesen“, dass in Wirklichkeit nur die Juden Kenntnis von den echten Stätten und Zugang zu ihnen hätten – so besonders bezüglich des Davidsgrabes und der Patriarchengräber in Hebron.70

Eine Theologie des Heiligen Landes?

Durch die historisch-kritische Forschung wurde spätestens seit dem 18./19. Jahrhundert deutlich, dass man in den wenigsten Fällen sicher sein kann, dass die Lokalisierung der biblischen Ereignisse – so es denn überhaupt historische Tatsachen im neuzeitlichen Sinne sind – zuverlässig ist. Das hat vielfach dazu geführt, dass man den „heiligen Stätten“ keine wirkliche Bedeutung mehr zusprach.

Im 20. Jahrhundert hat man dann verstanden, dass sie Teil des „kollektiven Gedächtnisses“ der Christen sind – und die Frage der historischen Zuverlässigkeit der Lokalisierungen für den Prozess, in dem die christliche Erinnerungslandschaft entstanden ist, nur begrenzt wichtig ist. Maurice Halbwachs hat in einer bahnbrechenden Studie schon 1941 geschrieben: „Die Heiligen Stätten erinnern also nicht an von zeitgenössischen Zeugen beglaubigte Tatsachen, sondern an Überzeugungen, die vielleicht nicht weit von diesen Orten entstanden sind und sich verstärkten, indem sie an ihnen Wurzeln schlugen.“ D. h. am Anfang steht nicht der Ort, sondern eine Glaubenserfahrung bzw. -überzeugung, in deren Licht dann die Landschaft, in der diese entstanden ist, angeschaut und gestaltet wird. Denn es heißt weiter: „Eine solche Wahrheit muss sich, um im Gedächtnis einer Gruppe festmachen zu können, in der konkreten Gestalt eines Ereignisses, eines bestimmten Menschen oder eines Ortes darstellen.“ Und: „Seitdem die christlichen Erinnerungen in ein größeres kollektives Gedächtnis eingegangen und in ihm ausgearbeitet worden waren, bezogen sie sich vor allem auf solche geweihten Orte, die der Ausübung eines Kultes entgegenkamen.“ 71

Dieser erneute Verweis auf die heiligen Stätten als Orte, die gottesdienstlich genutzt werden, erlaubt auch eine Art christliche Definition des „Heiligen Landes“, die es möglich macht, noch einmal zu fragen, ob und inwiefern sie als „fünftes Evangelium“ bezeichnet werden können.

„Heilige Stätten“ und ein „Heiliges Land“ sind im Christentum nicht einfach „da“. Sie werden „entdeckt“ im Rahmen eines Prozesses, bei dem sich Erinnerungen und Überzeugungen ihren Ort „suchen“. Das „kollektive Gedächtnis“ macht sich fest an bestimmten „Orten, wo …“. Durch Besuch, Erzählen und Lesen von Texten, rituelle Begehungen aktualisiert sich das Gründungsgeschehen je neu für die Besucher(innen). Eine Landschaft, das Land wird angeschaut mit den „Augen des Glaubens“. Mit diesen „inneren Augen“72 werden die Stätten entdeckt – und mit den gleichen Augen werden sie auch von (manchen) Gläubigen betrachtet, sodass sie sie „erkennen“ und in ihrem Glauben bestärkt werden.

Von daher wäre es sachgemäßer, von einem „geheiligten Land“ zu sprechen – nicht nur, weil dadurch das theologische Konzept von der vorgängigen Aktivität Gottes, der die Stätte durch seine Anwesenheit geheiligt hat, anklingt, sondern weil zugleich der Vorgang der „Heiligung“, der „Ausgrenzung“ der Stätten aus dem Profanen in den Blick gerückt wird. Im Lateinischen entspricht das der Differenz von sanctus und sacer – weswegen man auch von einem „sakralen Land“ sprechen könnte.73

Deshalb könnte man m. E. von einer „sakramentalen Qualität“ des Landes sprechen. Nach klassischer (katholischer) Auffassung gehören zum Sakrament neben der „Einsetzung durch Jesus“ eine (zunächst indifferente) Materie wie Brot, Wein oder Wasser und ein deutendes Wort – zusammen geben sie die Möglichkeit einer Erfahrung der göttlichen Zuwendung. So kann das an sich indifferente Land zusammen mit dem Wort, der deutenden Erzählung, zum religiösen Erfahrungsort werden, unabhängig davon, ob die Lokalisierung historisch korrekt ist oder nicht.74 (Einige Theologen verweisen sogar darauf, dass nicht zuletzt die Vorstellung der Inkarnation, d. h. dass Gott sich in besonderer Weise mit dem Menschen Jesus von Nazaret verbunden hat, eine Brücke zum Verständnis der Bindung Gottes auch an ein bestimmtes Land sein kann.75) Und wenn „Evangelium“ eine „bewusst gestaltete Entfaltung des urkirchlichen Verkündigungsschemas“ ist76 oder anders gesagt: wenn Evangelium meint, dass vom Menschen Jesus von Nazareth mit den „Augen des Glaubens“ so erzählt wird, dass in diesen zunächst neutralen Worten seine Besonderheit und Göttlichkeit sichtbar und erfahrbar wird, dann geschieht in gewisser Weise in Sakrament und Evangelium Entsprechendes.

Abschließende Gedanken

Joachim Negel stellt am Ende seines Nachdenkens über die Spannung zwischen Bibelwissenschaft und historisch eher zweifelhaften „heiligen Stätten“ folgende Frage – nachdem er zuvor für eine „zweite, belehrte Naivität“ im Umgang mit den Stätten geworben hat: „Wäre das nun nicht die schönste Frucht eines Theologischen Studienjahres [in Jerusalem]: Dass es gelänge, einen Raum zu eröffnen, in welchem die Denklandschaften der biblischen Schriften mit jenen äußeren Landschaften, in denen sie entstanden sind, so in Korrespondenz treten, dass darin nun auch unsere eigenen Lebenslandschaften sowohl für uns selbst als auch für andere lesbar werden als ein weites, perspektivreiches, immer neu zu entdeckendes „Fünftes Evangelium“?77

Aber vielleicht gilt es sogar ein „sechstes Evangelium“ zu entdecken. Bezüglich des Themas „Land“ müssen Christen heute sowohl eine neue Sensibilität entwickeln für die besondere Beziehung, die Juden zu ihm haben78, als auch für die Situation der einheimischen palästinensischen Christen und deren Schwierigkeiten mit dem Thema „Landverheißung“ (und v. a. deren Instrumentalisierung durch Teile der israelischen Politik).79 Palästinensische Gemeinden denken über eine alternative Form von Pilger- Tourismus nach. Der langjährige Pfarrer von Bethlehem, Mitri Raheb, formuliert: „Es reicht nicht länger, nur über das fünfte Evangelium nachzudenken; dieses Konzept funktioniert meiner Meinung nach geistig-geistlich nicht länger. Mein Ruf geht nach einem ‚sechsten‘ Evangelium für eine neue Wallfahrt, eine Pilgerreise zu den lebendigen Steinen, welche dem Land einen absolut anderen Geschmack geben.“80 Ganz abgesehen davon, dass ja schon ein Gregor von Nyssa die heiligen Orte in den Menschen entdeckt hat (auch wenn es bei ihm die Mitreisenden und nicht die Einheimischen waren), bin ich überzeugt, dass eine Begegnung mit diesem „sechsten Evangelium“ helfen kann, nicht nur die vier Evangelien besser zu verstehen, sondern auch das „fünfte Evangelium“: So war es für mich z. B. eine „Offenbarung“ mit palästinensischen Christen den Ort Battir bei Bethlehem zu besuchen, wo der Bar-Kochba-Aufstand mit einer letzten Niederlage endete – der von manchen jüdischen Israelis eine ähnliche nationalreligiöse Bedeutung hat wie Masada. Hier habe ich verstanden, dass es selbst bei einer solchen säkularen (?) Stätte darauf ankommt, wie man sich ihr nähert, welche Geschichte man dort erzählt: Vom jüdischen Aufstand gegen Rom oder vom Aufstand von Unterdrückten gegen die imperiale Macht? Um dann dort die Option des Christentums für die Unterdrückten zur Sprache zu bringen.81

Nach Bargil Pixner hat ein anderer Mönch der Dormitio-Abtei, Gregory Collins, die heiligen Stätten als „Ikonen der Begegnung“ bezeichnet. Sie öffnen für ihn einen Raum, in dem man Christus begegnen kann. Er bezieht sich auf Johannes von Damaskus, der die heiligen Orte als „Widerspiegelungen des göttlichen Wirkens“ bezeichnet: Der Mönch aus dem Sabaskloster verehrte all diese Orte „nicht deren Natur wegen, sondern weil es Orte göttlichen Wirkens sind, durch die und an denen es Gott gefallen hat, unser Heil zu wirken“.82 Johannes behandelt dies Thema im Zusammenhang mit der umstrittenen Bilderverehrung – die Verehrung der heiligen Stätten rechtfertigt auch die Ikonen, bei denen es nicht um das physische Bild, sondern um das darin dargestellte göttliche Wirken geht. Mir scheint das eine interessante Möglichkeit, entweder von den Ikonen her (die ja auch keine historisch korrekten Abbilder des Heilsgeschehens darstellen, sondern mit den „Augen des Glaubens“ gemalt sind) einen Zugang zum Phänomen der heiligen Stätten zu bekommen oder umgekehrt von den heiligen Stätten her einen Zugang zur (fremden) Welt der Ikonenverehrung.

Collins zitiert aber auch das Wort des Engels am Grab „Er ist nicht hier“ (Mt 28,6), welches darauf verweist, dass Gott, der uns an diesen Orten berühren will, immer alle Orte und Zeiten transzendiert. Insofern ist es wichtig, die Ikone vom Idol zu unterscheiden: Beim Idol bleibt die Betrachtung beim Ding selbst stehen, bei der Ikone geht der Blick hindurch, hin zum Geheimnis, das sie nur bezeichnet.83 Überhaupt weist dies Wort des Engels auf eindrucksvolle Weise auf den dialektischen Charakter der christlichen „heiligen Stätten“ hin: Sie ziehen an, verweisen dann aber auch wieder von sich weg. Die heiligste dieser Stätten, das Grab Jesu, ist deshalb heilig, weil sie leer ist! Und das, worum es geht, ist hier gerade nicht zu haben. Andererseits schenkt aber erst der Ort diese Erkenntnis und schickt die Jüngerinnen fort nach „Galiläa“ – wo immer das heute liegen mag.

Ein letztes: P. W. L. Walker hat die Schriften von Eusebius und Cyrill von Jerusalem untersucht und – anders als viele frühere Forscher – verdeutlicht, wie skeptisch Eusebius im Gegensatz zum Jerusalemer Cyrill gegenüber dem neuen Konzept geblieben ist. Im Epilog84 klingt seine Sympathie für ersteren durch, und er meint – ob nun aufgrund eigener Erfahrung in bzw. mit Jerusalem oder nicht –, dass sich eine ungebrochene Verehrung Jerusalems als „Heilige Stadt“ für Christen verbietet, bleibt sie doch immer auch die Stadt der Kreuzigung. Und er deutet an, was ich etwas deutlicher so formulieren möchte: Vielleicht muss zumindest unser Bild von Jerusalem, unsere anfängliche Begeisterung irgendwann sterben, um zu dem vorzudringen, was in dieser Stadt (und anderswo) vom neuen Leben der Auferstehung zeugt. Aber vielleicht wäre sie dann wirklich ein Evangelium-gemäßes Sakrament – das eben kein ungebrochenes Zeichen göttlicher Gegenwart ist, sondern eines, das von der Durchkreuzung aller menschlichen Hoffnungen spricht und dennoch die Hoffnung auf ein neues Jerusalem nicht aufgibt.

Anmerkungen

1 | B. Pixner, Mit Jesus durch Galiläa nach dem fünften Evangelium (Rosh Pina 1992), 7.
2 | Ernest Renan, La Vie de Jesus, Paris 1863, XCVIIIf.
3 | Vgl. dazu Albert Schweitzer, Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, Hamburg 1972, 207–219. 635–639. Der inhärente Antijudaismus dieser Darstellung wurde allerdings auch von Schweitzer nicht gesehen.
4 | Wie zwiespältig der Begriff ist, zeigt auch die Tatsache, dass Renan z. B. den Theologen und Palästinareisenden J. N. Sepp als „fünften Evangelisten“ verunglimpft, weil dieser Lokalisierungen biblischer Orte ändern wolle; vgl.Ḥayim Goren, „Zieht hin und erforscht das Land“. Die deutsche Palästinaforschung im 19. Jh., Göttingen 2003, 162.
5 | Joachim Negel, Das Fünfte Evangelium – oder: Von der Schwierigkeit und der Möglichkeit, im Heiligen Land die Heilige Schrift zu lesen, in: Nikodemus C. Schnabel OSB (Hg.), Laetare Jerusalem (JTHF 10), Münster 2006, 355–367, hier 359.
6 | Vgl. mKelim 1,6–9.
7 | Vgl. Michael Bongardt, „Zum Berg des Herrn wollen wir pilgern“ (Ps 122,1). Theologische Anmerkungen zur Problematik heiliger Orte, in: Schnabel (Hg.), Laetare Jerusalem (wie Anm. 5), 337–354.
8| Darauf haben u. a. Stefan Heid, Chiliasmus und Antichrist-Mythos (Hereditas 6), Bonn 1993, und Katharina Heyden, Orientierung. Die westliche Christenheit und das Heilige Land in der Antike (JThF28), Münster 2014, aufmerksam gemacht – nachdem zeitweise v. a. die zunehmende Spiritualisierung Jerusalems betont wurde; vgl. dazu Christoph Markschies, Himmlisches und irdisches Jerusalem im antiken Christentum, in: Martin Hengel u. a. (Hg.), La Cité de Dieu/Die Stadt Gottes (WUNT 129), Tübingen 2000, 303–350.
9 | Vgl. Justin, dial. 113,3f (486 Bobichon).
10 | Vgl. Justin, 1 apol. 53,2f (PTS 38, 106 Marcovich).
11 | Vgl. Martyrium S. Pionii 4,18–20 (99f Gebhardt) und Hans Windisch, Die ältesten christlichen Palästinapilger, in: ZDPV 48, 1925, 147–149.
12 | Vgl. Tertullian, adv. Iud. 8, 9; 13 (FC 75, 212. 252 Hauses) mit Bezug auf Dtn 12, 2–7
13 | Tertullian, res. mort. 26 (CSEL 47, 63).
14 | Origenes, Cels. 8, 42 (FC 50/5, 1402f).
15 | Origenes, Cels. 7, 28f (FC 50/5 1236f).
16 | Vgl. Origenes, hom. in Num. 27, 9, 1f (SCh 461, 308–311).
17 | Vgl. Origenes, hom. in Luc. 34 (200–202, Rauer 200–202).
18 | Origenes, hom. in Jos. 6, 2–4 (SCh 71, 184–191); Übersetzung: Heyden, Orientierung (wie Anm. 8), 96.
19 | Vgl. Origenes, Cels. 1, 51 (FC 50/1, 300f) und Io. 6, 41 (GCS 150).
20 | Vgl. z. B. Eusebius, d.e. 6,25,3f (GCS 294f). Vgl. auch Georg Röwekamp, „Schmutziger Winkel“ oder „Mitte der Welt“. Gedanken zur Lokalisierung und Bedeutung Jerusalems (Kleine Texte 86), Berlin 2020.
21 | Vgl. Eusebius, d.e. 3, 2, 10 (GCS 97f). Vgl. auch Eusebius, comm. in Is. 33, 17 (217, Ziegler).
22 | Vgl. Eusebius, comm. in Ps 75, 2 (PG 23, 87C–880A).
23 | Vgl. z. B. Eusebius/Hieronymus, onomast. 3 (FC 68, 68). Schon Jos 7, 26; 8, 28f hatte die Ruinen als Beleg für die Wahrheit der Geschichte erwähnt; auch Josephus hatte auf antike Überreste verwiesen – einige der Informationen zitierte dann Eusebius.
24 | Eusebius, d.e. 8,4,27 (GCS 399). Vgl. auch Erich Fascher, Jerusalems Untergang in der urchristlichen und altkirchlichenÜberlieferung, in: ThLZ 89 (1964) 81–98.
25 | Vgl. Eusebius, d.e. 6,18,20f (GCS 278). Vgl. auch Heid, Chiliasmus (wie Anm. 8), 78–184 und Max Küchler, Die „Füße des Herrn“ (Eus., DE 6, 18), in: Max Küchler/Christoph Uehlinger (Hg.), Jerusalem. Texte – Bilder – Steine (NTOA 6; Fribourg 1987) 11–36.
26 | Vgl. Eusebius/Hieronymus, onomast. 365 (FC 68, 176f), das vor 314, wahrscheinlich um 300 entstanden ist; vgl. Georg Röwekamp, Einleitung zu: Eusebius/Hieronymus, Onomastikon der biblischen Ortsnamen (FC 68, 20–27).
27 | Vgl. Eusebius, v.C. 3, 28 (FC 83, 348f).
28 | Vgl. Eusebius, v.C. 3, 30, 4 (FC 83, 350f).
29 | Vgl. Kenneth G. Holum, Hadrian and St Helena. Imperial Travel and the Origin of Christian Holy-Land-Pilgrimage, in: Robert Ousterhout (Hg.), The Blessings of Pilgrimage (Illinois Byzantine Studies 1), Urbana/Chicago 1990, 66–81.
30 | Eusebius, v.C. 42 (FC 83, 360f). Vgl. auch ebd. 44–45 (FC 83, 362–365). Vgl. zur Reise der Helena auch Edward David Hunt, Holy Land Pilgrimage in the Later Roman Empire AD 312–460, 28–49, Oxford 2002 (Reprint), wo die Kreuzauffindung noch als Legende angesehen wird, und Eva-Maria Gärtner, Heilig-Land-Pilgerinnen des Lateinischen Westens im 4. Jahrhundert (JThF 34), Münster 2019, 36–67.
31 | Vgl. Eusebius, v.C. 41; 43 (FC 83, 358–363).
32 | Dies wird angenommen von Klaus Bieberstein, „Zum Raum wird hier die Zeit“. Drei Jerusalemer Erinnerungslandschaften, in: JBTh 22 (2007) 20–27. Für die Folgezeit ist der Ausbau der Pilgerstätten parallel zur dogmatischen Entwicklung dann jedoch tatsächlich zu beobachten.
33 | Heyden, Orientierung (wie Anm. 8), 122–126, vermutet westliche Theologen bzw. Bischöfe als Urheber dieses Konzeptes.
34 | Vgl. dazu Robert Louis Wilken, The Land Called Holy, New Haven 1992, 78–100 und Peter W. L. Walker, Holy City, Holy Places?, Oxford 1990, bes. 51–132. 347–401.
35 | Vgl. Eusebius, v.C. 3, 33, 1–2 (FC 83, 354f).
36 | Vgl. Eusebius, h.e. 10, 4, 70 (GCS 882).
37 | Eusebius, v.C. 3, 30, 4 (FC 83, 350f). Hunt, Pilgrimage (wie Anm. 30), 26, spricht von einer „mixture of imperial policy and ecclesiastical aspirations”.
38 | Das erwägen Sandra Ann Fortner/Andrea Rottloff, Auf den Spuren der Kaiserin Helena, Erfurt 2000, 93–98.
39 | Vgl. itin. Burdig. 572,4; 577, 6; 606, 1; 604, 7 (CCL 175, 9; 10; 22). Tatsächlich gab es ja einen antiken Tourismus; wichtigstes Reiseziel (und auch in mancher Hinsicht „Heiliges Land“) war Ägypten; vgl. Lionel Casson, Reisen in der alten Welt, München 1976, 301–305.
40 | Vgl. epist. 108 (CSEL 55, 306–351).
41 | Vgl. Wilken, Land (wie Anm. 34), 184.
42 | Hieronymus, praef. LXX par. interpr. (PL 29, 423; übers. von H. Donner). Vgl. auch epist. 46, 9 (CSEL 54, 339), wo er einem Besuch in „unserem Athen“ (d. h. Jerusalem) größte Bedeutung zumisst.
43 | Vgl. Hieronymus, in Sach. 1, 2, 3–5 (CCL 76A, 764)
44 | Vgl. Hieronymus, epist. 129, 6 (CSEL 56, 173).
45 | Vgl. Hieronymus, epist. 53, 10f (CSEL 54, 455–457).
46 | Hieronymus, epist. 53, 2–4 (CSEL 54, 445–449).
47 | Hieronymus, epist. 46, 5. 7–8 (CSEL 54, 334–336). Diese Rechtfertigung der Heiligkeit des Landes passt zur These von Robert A. Marcus, How on Earth Could Places Become Holy. Origins of the Christian Idea of Holy Places, in: JECS 2 (1994) 257–271. Er vermutet, dass die Idee einer Heiligung von Orten von den Märtyrergräbern auf die Stätten des Lebens Jesu übertragen wurde.
48 | So konnte Hieronymus z. Zt. der Abfassung von Brief 53 wohl selbst nicht nach Jerusalem reisen wegen eines Streits mit Bischof Johannes II.; vgl. dazu Lorenzo Perrone, „Sacramentum Iudaeae” (Gerolamo, Ep. 46): Gerusalemme e la Terra Santa nel pensiero cristiano dei primi secoli, in: Alberto Melloni/Daniele Menozzi/Giuseppe Ruggieri/Massimo Toschi (Hg.), Cristianesimo nella storia (FS G. Alberigo), Bologna 1996, 445–478. Zur unterschiedlichen Beurteilung des Landes vgl. auch Friedrich Stummer, Die Bewertung Palästinas bei Hieronymus, in: OrChr 3 (1935) 60–74.
49 | Gregor, epist. 2, 18 (18, Pasquali).
50 | Cyrill, cat. 10, 19 (1, 286, Reischl/Rupp).
51 | Cyrill, cat. 13, 23 (2, 80 Reischl/Rupp); vgl. auch cat. 4, 10 (1, 100, Reischl/Rupp) und 14, 22f (2, 136–140, Reischl/Rupp). Vgl. dazu auch Perrone, Sacramentum (wie Anm. 48), 463f; Jan Willem Drijvers, Cyril of Jerusalem. Bishop and city, Leiden/Boston 2004, 153–176.
52 | Cyrill, cat. 13, 18 (2, 74, Reischl/Rupp).
53 | Cyrill von Skythopolis, vit. Sabae 57 (152–157 TU 49,2 Schwartz). Vgl. dazu Nikolaus Egender, Das palästinensische Mönchtum und das Konzil von Chalcedon, in: Ders., Vermächtnis Heiliges Land (JThF 30), Münster 2018, 163–170.
54 | Vgl. ACO II IV, 169f und Lorenzo Perrone, Christian Holy Places and Pilgrimage in an Age of Dogmatic Conflicts, in: PrOrChr 48 (1998) 13, der in diesem Zusammenhang auch den Ausdruck „Fünftes Evangelium“ gebraucht.
55 | Vgl. dazu Röwekamp, Einleitung (wie Anm. 26).
56 | Vgl. dazu Heyden, Orientierung (wie Anm. 8), 185–203.
57 | Vgl. dazu Hagith Sivan, Pilgrimage, Monasticism, and the Emergence of Christian Palestine in the 4th Century, in: Ousterhout (Hg.), Blessings (wie Anm. 29), 54–65.
58 | Vgl. Cyrill von Jerusalem, cat. myst. (FC 7).
59 | Vgl. itin. Eger. 47, 5 (FC 20, 276f).
60 | Die Weihrauchgefäße erinnern an die Frauen, die mit wohlriechenden Salben zum Grab kamen (vgl. Mk 16,1f).
61 | Itin. Eger. 24, 10. Vgl. auch den ganzen Abschnitt itin. Eger. 8–12 (FC 20, 214–217).
62 | Vgl. z. B. itin. Eger. 14, 1 (FC 20, 166f).
63 | Vgl. Augustinus, civ. Dei 22, 8, 6 (572, Dombaert). Auch Helena soll für die Kirche in ihrem römischen Palast (unterhalb der heutigen Kirche S. Croce in Gerusalemme) Erde aus dem Heiligen Land mitgebracht haben.
64 | Der Pilger von Piacenza benutzt häufig den Ausdruck „benedictionem tollere“; vgl. z. B. Anon. Plac. 18 (CCL 175, 163).
65 | Eutychius of Alexandria, The Book of the Demonstration (Kitab al-Burhan), hg. und übers. von P. Cachia (CSCO 192. 199), Louvain 1960–61.
66 | So Wilken, Land (wie Anm. 34), 252.
67 | Vgl. Eutychius of Alexandria, The Book of the Demonstration (CSCO 192, 134–155). Zu den Kirchen des Heiligen Landes kommen hier auch noch St. Peter und St. Paul in Rom!
68 | Vgl. Christoph Jakob Kremer, Zur Geschichte des Begriffes „Terra Sancta“, in: Valmar Cramer/Gustav Meinertz, Das Heilige Land in Vergangenheit und Gegenwart, Bd. 3 (Palästina-Hefte des Deutschen Vereins vom Heiligen Lande 33–35), Köln 1941, 63–66. Dort auch die fünf Bedeutungen des Begriffs: 1. Stätte göttlicher Gegenwart (vgl. Ex 3,5), 2. Das geographische Palästina/„Land des Herrn“ (vgl. die anderen atl. Stellen), 3. Das himmlische „Land der Verheißung“ der Christen, 4., Sammelname für die durch Christus geheiligten Orte, 5. Ordensprovinz der Franziskaner.
69 | Vgl. Wilken, Land (wie Anm. 34), 207–214; Aaron Demsky, Holy City and Holy Land as viewed by Jews and Christians in the Byzantine Period, in: Alberdina Houtman/Joshua J. Schwartz/Marcel Poorthuis (Hg.), Sanctity of Time and Space in Tradition and Modernity (Jewish and Christian Perspective Series 1), Leiden 1998, 285–296. 361–368.
70 | Vgl. dazu Elchanan Reiner, A Jewish Response to the Crusades. The Dispute over Sacred Places in the Holy Land, in: Alfred Haverkamp (Hg.), Juden und Christen zur Zeit der Kreuzzüge (Vorträge und Forschungen 47), Sigmaringen 1999, 209–231. Er verweist auf Hinweise in den Berichten des Benjamin von Tudela und des Petachja von Regensburg.
71 | Maurice Halbwachs, Stätten der Verkündigung im Heiligen Land. Eine Studie zum kollektiven Gedächtnis, Neudruck Konstanz 2003, 162. 163. 165..
72 | So Paulinus, epist. 31, 1 (FC 25/2, 728f) bzgl. Fragmenten des Kreuzes, in denen das innere Auge die ganze Kraft des Kreuzes sieht.
73 | Vgl. Bongardt, Berg des Herrn (wie Anm. 7), 352.
74 | Als protestantische Theologin spricht Katharina Heyden vom „synoptischen Vermögen“ des Landes gesprochen; vgl. Heyden, Orientierung (wie Anm. 8), 352–356. Den Begriff des Sakraments verwendet auch der evangelische Theologe Friedrich-Wilhelm Marquardt, Die Juden und ihr Land, Hamburg 1975, und Ders., Was dürfen wir hoffen, wenn wir hoffen dürfen. Eine Eschatologie, Gütersloh 1994, 2, 187f.
75 | Vgl. z. B. Frank Crüsemann, Christen können den Anspruch des jüdischen Volkes auf das Land Israel respektieren, in: Hubert Frankemölle (Hg.), Juden und Christen im Gespräch über ‚Dabru emet – Redet Wahrheit, Paderborn 2005,
155–180, hier 179f.
76 | Vgl. Roman Kühschelm, Evangelien, in: NBL 1, 1991, 616.
77 | Vgl. Negel, Evangelium (wie Anm. 5), 367.
78 | Vgl. dazu auch Thomas Fornet-Ponse, Heiliges Land – Land der Heiligen, in: ZKTh 138 (2016) 28–47.
79 | Vgl. dazu Christhoph Dohmen, Die christlichen Palästinenser und das Problem der biblischen Landverheißung, Regensburg 2004, und Michael Bongardt, Christen können den Anspruch des jüdischen Volkes auf das Land Israel respektieren, in: Rainer Kampling/Michael Weinrich (Hg.), Dabru emet – redet Wahhrheit, Gütersloh 2003, 94–102. Letzterer verweist darauf, dass die Rückkehr des jüdischen Volkes auch für Christen das Vertrauen auf Gottes Bundestreue stärken kann, dass die „Erwählung“ Israels aber auch den Auftrag zur Erfüllung der Thora im Land beinhaltet und damit den Auftrag, „Gerechtigkeit aufzurichten“ gegenüber allen, die in diesem Land bzw. Staat leben.
80 | Mitri Raheb, Alternative Pilgerreisen. Zu einer Theologie des Pilgerns, in: Ders., Christ-Sein in der arabischen Welt:
25 Jahre Dienst in Bethlehem; gesammelte Aufsätze und Reden eines kontextuellen Theologen aus Palästina, Berlin 2013, 131–138, hier 134.
81 | Vgl. Z. B. Mitri Raheb, Glaube unter imperialer Macht. Eine palästinensische Theologie der Hoffnung, Gütersloh 2014.
82 | Johannes von Damaskus, or. 3, 34 (PTS 17, 139f).
83 | Vgl. Gregory Collins, The Holy Places as Icons of Encounter (Kleine Texte 50), Berlin 2013, 16–18.
84 | Vgl. Walker, Holy City (wie Anm. 34), 402–405.

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