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Leseprobe 2 DOI: 10.14623/thq.2019.4.321-334
Jehoschua Ahrens
Ein Dialog auf Augenhöhe – Die orthodoxen jüdischen Erklärungen zum Christentum
Die Veröffentlichung der beiden internationalen jüdisch-orthodoxen Erklärungen Den Willen unseres Vaters im Himmel tun: Hin zu einer Partnerschaft zwischen Juden und Christen (2015) und Zwischen Jerusalem und Rom: Die gemeinsame Welt und die respektierten Besonderheiten. Reflexionen über 50 Jahre von Nostra Aetate (2017) im Zusammenhang mit dem Jubiläumsjahr von Nostra Aetate 2015 – und insbesondere ihre theologische Dimension – war für viele in Deutschland, selbst für Experten des christlich-jüdischen Dialogs, eine Überraschung. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn traditionell-jüdische Quellen zum Christentum und entsprechende jüdisch-orthodoxe Positionen werden kaum wahrgenommen. Die fast einhellige Meinung ist, dass sich nur wenige, „meist aus dem Reformjudentum stammende Juden“ am Dialog mit dem Christentum beteiligen. Dialog sei nicht überall erwünscht, „schon gar nicht in orthodoxen Kreisen, welcher Provenienz auch immer“ und würde von jüdisch-orthodoxer Seite als „sinnlos, gefährlich und überflüssig“ gesehen. Die orthodoxe Position sei eine „Mischung aus schroffer Abgrenzung und kalkulierter Interessenwahrung“. Fragen der Religion stünden bei orthodoxen Juden nicht zur Diskussion und daher „wird im orthodoxen Judentum der interreligiöse Dialog (nicht nur, aber insbesondere mit Christen) abgelehnt“. Bestenfalls wird die Haltung der Orthodoxie als „zwiespältig“ beschrieben, die nicht jeglichen Dialog ablehne. Selbst dort, wo die Besonderheiten des jüdisch-christlichen Gesprächs in Deutschland festgestellt und Entwicklungen beschrieben werden, fehlen die jüdisch-orthodoxen Pioniere und Protagonisten.

Die Rolle der orthodoxen Rabbiner bei Dialogbemühungen seit der Emanzipation, insbesondere im 19. Jahrhundert, später beim Aufbau eines institutionellen Dialogs nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa – gerade auch in Mitteleuropa – und die jüngeren Entwicklungen der letzten 15 bis 20 Jahre auf jüdisch-orthodoxer Seite in Bezug auf den jüdisch-christlichen Dialog sind leider oft völlig unbekannt. Das ist aber wichtig, um zu verstehen, woher die Erklärungen der Rabbiner kommen und welche Aussagen sie machen.

Beide Erklärungen beziehen sich auf verschiedene traditionelle Quellen für die theologische Bewertung des Christentums. Dazu gehören u. a. Werke von Moses Maimonides und Jehuda Halevi aus dem Mittelalter, aus der Neuzeit von den Rabbinern Jacob Emden, Samson Raphael Hirsch, Naftali Zvi Berliner (Netsiv) und Moses Rivkis (Be’er Hagoleh) sowie von den zeitgenössischen Rabbinern Joseph B. Soloveitchik und Shear Yashuv Cohen. Sowohl in den beiden Dokumenten selbst als auch in der innerjüdischen Rezeption wurden deren Aussagen bzw. Zitate aus deren Werken unterschiedlich bewertet und diskutiert, teilweise sogar völlig gegensätzlich. Manchmal kam sogar die Behauptung auf, das Christentum sei „Awoda sara“ (hebr. „fremder Kult“). Was ist nun aber tatsächlich die Haltung der jüdischen Orthodoxie zum jüdisch-christlichen Dialog? Was sind die zentralen Positionen der traditionellen jüdischen Quellen zum Christentum? Ist Christentum mehr als nur ein „fremder Kult“?

Die historischen Entwicklungen im christlich-jüdischen Dialog Wir dürfen nicht den Fehler machen, nur vom heutigen Status quo im Dialog bzw. der Situation der letzten Jahrzehnte auszugehen und daran das christlich-jüdische Gespräch zu messen. Die Position der jüdischen Orthodoxie heute ist das Ergebnis einer Entwicklung und Erfahrung von nicht weniger als 200–250 Jahren. Tatsächlich kamen die Dialogbemühungen in den letzten zwei Jahrhunderten zumeist von jüdischer Seite, insbesondere auch von der Orthodoxie. In der Zeit der Aufklärung und Emanzipation keimte auf jüdischer Seite die Hoffnung, dass sich Juden und Christen nicht nur staatsbürgerlich, sondern auch religiös annähern und schließlich gleichgestellte Partner sein könnten. Beispielhaft hervorheben möchte ich Jacob Emden, die bedeutendste rabbinische Autorität in Deutschland und Europa des 18. Jahrhunderts, der das Christentum halachisch sehr positiv bewertete und Christen schon in dieser Zeit als Brüder bezeichnete, die zum himmlischen Wohl arbeiteten und denen die Belohnung nicht verwehrt würde, Rabbiner David Zvi Hoffmann, der im 19. Jahrhundert für ein Miteinander von jüdischen und „christlichen Mitbürgern“ warb und den Vorwurf, dass Christen aus jüdischer Sicht Götzendiener seien, scharf zurückwies und schließlich Rabbiner Samson Raphael Hirsch, der, ebenfalls im 19. Jahrhundert, von einer Symbiose von Deutschtum und Judentum träumte und Christen in allen Belangen auf eine Stufe mit Juden stellte, auch in Bezug auf das Recht auf „aktive, brüderliche Liebe“. Die Hoffnung auf eine religiöse Annäherung wurde allerdings enttäuscht. Die Kirchen haben die jüdischen Initiativen nie positiv beantwortet. Im Gegenteil, liberal-protestantische Kreise innerhalb der Kirchen haben die antijüdische Theologie im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert eher noch verschärft. Im Gegensatz zu den USA kam die Initiative zum Dialog auf jüdischer Seite in Europa weniger von liberalen jüdischen Kreisen, als vielmehr von der Orthodoxie. Die Orthodoxie betrachtete das Christentum als gleichwertig und wollte einen Dialog auf Augenhöhe. Liberale Rabbiner, wie Ludwig Philippson, sahen das Judentum als Vernunftreligion dem Christentum als „Mysterien-Religion“ überlegen. Für Philippson waren die Gegensätze zwischen Christentum und Judentum so groß, dass ein echter Dialog gar nicht möglich wäre.

Das setzte sich so sogar nach der Katastrophe der Shoah fort. Die frühen Pioniere des Dialogs auf jüdischer Seite im Europa der 1940er-Jahre kamen vor allem aus dem orthodox-traditionellen Spektrum und stellten entscheidend die Weichen für die Institutionalisierung des Dialoges. Stellvertretend erwähnen möchte ich hier: Selig Brodetsky (Professor für Mathematik und Präsident des Board of Deputies of British Jews), Adolph G. Brotman (Sekretär des Board of Deputies of British Jews), Georg Guggenheim (Präsident der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich), Meyer A. Halevy (Rabbiner der Choralsynagoge Bukarest), Joseph H. Hertz (Oberrabbiner des British Empire), Fabian Herkovits (Rabbiner in Budapest), Maurice Jaffe (Rabbiner der britischen Armee), Jacob Kaplan (Oberrabbiner von Frankreich), Alexandre Safran (Oberrabbiner von Rumänien, später von Genf), Zwi Chaim Taubes (Oberrabbiner von Zürich) und Georges Vadnai (Generalsekretär des Jüdischen Weltstudentenbundes, später Oberrabbiner von Lausanne). Alle Genannten waren auf einer oder allen drei internationalen christlich-jüdischen Konferenzen. Sie alle haben die Gründung des Internationalen Rates von Christen und Juden mit vorangetrieben und waren Gründungsmitglieder (oder später aktiv) in den lokalen oder nationalen christlich-jüdischen Gesellschaften bzw. Councils in Großbritannien, Frankreich, der Schweiz, Rumänien und Ungarn. [...]


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