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Leseprobe 2 DOI: 10.14623/thq.2019.3.247-271
Michael Hauber
Verfälschung der Worte Jesu?
Philologisches, Systematisches und Didaktisches zur sechsten Vaterunserbitte
2.3 Theologiegeschichtliches

Ein theologiegeschichtlicher Überblick über die Auslegung der sechsten Vaterunserbitte kann hier nicht geboten werden. Um den Eindruck des allzu Willkürlichen zu meiden, beziehe ich mich im Folgenden einerseits nur auf die lateinische Übersetzungstradition und andererseits auf theologiegeschichtliche Wegmarker sowie lehramtlich sanktionierte Texte.

a) Die lateinischen Übersetzungen der Evangelien Erst das Konzil von Trient hat die Vulgata 1546 zum normativen Bibeltext der römischen Kirche erhoben, aber damit keineswegs den Rekurs auf die hebräischen und griechischen Texte verboten (vgl. DH 1506). Rom promulgierte erst eine weitere Generation nach dieser Festlegung mit der Sixto-Clementina eine mehr oder weniger taugliche Textgrundlage der Vulgata. Obwohl vielfach behauptet wird, dass Hieronymus diese Übersetzung angefertigt habe, stammt faktisch nur der protokanonische Teil des Alten Testaments aus seiner Hand, bei den Evangelien hat er die griechischen Texte nicht neu übersetzt, sondern anhand dieser eine – unter vielen bestehenden – Übersetzung verbessert und redigiert. Für unsere Frage von Belang ist: Wie gingen die uns unbekannten Übersetzer (Plural!) mit dem griechischen Text von Mt 6,13 um? Und: Ist der Überlieferungsstatus der Vulgata zur genannten Stelle überhaupt eindeutig?

Als eine einzige vollständige altlateinische Übersetzung hat die „Vetus Latina“ nie existiert. Es gab aus Italien stammende Texttraditionen (Itala genannt) und aus Afrika stammende Übersetzungen (Afra genannt). Die Zeugen der ersteren lesen „ne nos inducas“ oder „ne inducas nos“ (führe uns nicht in Versuchung; grammatisch ein Jussiv oder Optativ), nur ein vergleichsweise junger Codex (der codex Colbertinus) „ne passus nos fueris induci“ (lass nicht zu, dass wir in Versuchung geführt werden; grammatisch ein Prohibitiv); die Afra (der codex Bobiensis aus dem 4./5. Jahrhundert n. Chr.) hat als einzige Lesart „ne passus fueris induci nos“ (lass nicht zu, dass wir in Versuchung geführt werden). Demnach kennen mehrere Zeugen der altlateinischen Übersetzungen des Neuen Testaments, darunter einhellig die afrikanischen Traditionen, eine Textfassung, derzufolge Gott nicht selber in Versuchung führt, sondern die Versuchung zulässt. Und nicht einmal der Überlieferungsbefund für die Vulgata selbst ist einheitlich: Die Mehrheit der codices bietet zwar die ersten beiden Varianten der Itala, aber zwei alles andere als unbedeutende Handschriften aus der Familie der recensio Hibernica, die im 9. Jahrhundert in Irland angefertigt wurden, bieten die Lesart: „ne patiaris nos induci“ (lass nicht zu, dass wir in Versuchung geführt werden; der codex Ardmachanus – das book of Armagh – wartet mit einer besonderen Form des Vaterunser auf, nämlich dem lateinischen Wortlaut in griechischen Buchstaben: „ΝΗ´ ΠΑΤΙΑΡΙΣ ΝΩΣ´ ΙΝΔΥΚΙ ΙΝΤΕΜΠΤΑΤΙΩΝΕΜ“).

Welche Schlüsse hat man aus diesem Befund zu ziehen?


1) Manche lateinischen Übersetzungen gehen sogar noch über die kausative Übersetzungsmöglichkeit des griechischen Textes hinaus. Diejenigen, welche die kausative Deutung ablehnen, müssen plausibel machen, wie es denn überhaupt zur ne-patiaris-Übersetzung (mit Varianten) ohne Zwischenstufe der kausativen Deutung gekommen ist. Bis zum Erweis des Gegenteils halte ich in Anbetracht der grammatischen Möglichkeiten des Altgriechischen die kausative Deutung für die zwingende Voraussetzung dafür, dass sowohl die lateinischen Bibelübersetzungen als auch die auslegenden Kirchenväter keinerlei Problem mit der Zulassung der Versuchung durch Gott als Übersetzungsmöglichkeit aus dem Griechischen hatten. Gleichwohl sei angemerkt: „Zulassen“ geht über das kausative „Lassen“ hinaus. Vielleicht kann, ja muss man dieses Phänomen so beschreiben, dass ein kanonischer Text in der Auslegungs- und Übersetzungsgeschichte eine immanente Bedeutung so sehr ans Licht bringt, dass er eindeutiger wird in der Rezeption, als er ist.

2) Die antiken Übersetzer und Abschreiber waren weder „untreu“ noch haben sie verfälscht. Das Gegenteil zu behaupten ist bizarr angesichts der Übersetzungstechniken bei der Übertragung der Bibel ins Lateinische, da diese für antike Verhältnisse weniger am Sinn, umso mehr am Wort orientiert war. Vielmehr gilt wohl beides: Sowohl die Tatsache, dass die Übersetzer die Kausativbedeutung als im Griechischen enthalten wahrgenommen und vereindeutigt haben, als auch die theologische Überzeugung, dass Gott gar nicht in Versuchung führen kann, hat die lateinischen Übersetzer zu Übersetzung veranlasst: „ne passus nos fueris induci“ bzw. „ne patiaris nos induci“.

b) Lateinische Kirchenväter, Thomas, Erasmus und die Katechismen


Der Befund aus Vetus Latina und Vulgata lässt sich erhärten. Tertullian, Cyprian, Arnobius d. J., Ambrosius und Augustin stören sich nicht nur nicht an einer kausativen Deutung bzw. Übersetzung, die eine göttliche Zulassung impliziert; sie benutzen und bestätigen sie – ebenso wie Thomas von Aquin und Erasmus von Rotterdam. Für Cyprian, Ambrosius und einen möglicherweise mit Johannes von Neapel zu identifizierenden Autor, der pseudepigraph als Chrysostomus latinus überliefert wird, ist die ne-patiaris-Variante sogar eine im Gottesdienst vorkommende Form. Und der Catechismus Romanus des Tridentinischen Konzils verleiht dieser Übersetzung eine amtliche Qualität. Besonders auffällig sind die Zustimmung von Ambrosius und Erasmus – beide konnten nicht nur in einem Ausmaß Griechisch, das sich im Vergleich zu den Zeitgenossen als bemerkenswert ausnahm, sondern sie konnten es auch besonders einfühlsam, Ambrosius noch zu einer Zeit, als es Muttersprache war. Aber der Reihe nach sollen wenigstens kurz die einschlägigen Stellen der genannten Autoren und Autoritäten dargetan werden. [...]


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