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Leseprobe 2 DOI: 10.14623/thq.2023.1.44–60
Friedrich Lohmann
Soziale Verteidigung, Schuld und Abschreckung
Die evangelische Friedensethik in der Zeitenwende
Zusammenfassung
Die militärische Invasion ukrainischen Staatsgebiets durch Truppen der Russischen Föderation seit dem 24.02.2022 hat starke Debatten im deutschen Protestantismus ausgelöst. Der Beitrag stellt diese Debatten in den historischen Kontext einer friedensethischen Gespaltenheit des Protestantismus zwischen einerseits pazifistischer, radikal gewaltfreier Option und andererseits einer bedingten Rechtfertigung militärischer Gewalt. Auf dieser Basis wird die Debatte an den drei inhaltlichen Schwerpunkten eines Selbstverteidigungsrechts der Ukraine, der Legitimität von Waffenlieferungen zu ihrer Unterstützung und einer zukünftigen, auf Abschreckung basierenden europäischen Friedensordnung rekonstruiert.

Abstract
Since February 24, 2022, the invasion of Ukrainian territory by troops of the Russian Federation has brought about intense debates within German Protestantism. The article puts these debates into their historical context. Since its inception, Protestant peace ethics has been divided between a pacifist option of radical nonviolence and a limited justification of military violence. Based on this, the debate is reconstructed along three focal points: the Ukrainian right to self-defense, the legitimacy of arms supply to their support, and the future of a European peace order based on deterrence.

Schlüsselworte/Keywords
Protestantismus; Friede; Krieg; Ukraine; Ethik; Pazifismus; Gewaltfreiheit; Abschreckung
Protestantism; peace; war; Ukraine; ethics; pacifism; nonviolence; deterrence


1. Einleitung

Der Beginn der militärischen Invasion ukrainischen Staatsgebiets durch Truppen der Russischen Föderation hat starke Debatten im deutschen Protestantismus ausgelöst. Bereits wenige Tage nach dem 24. Februar 2022 lagen erste Beiträge vor, die die gewachsene Hinwendung zu einem aus ihrer Sicht illusionären Pazifismus in der protestantischen Friedensethik beklagten und nichts weniger als deren kompletten Neustart forderten. 1 Andere verteidigten die bisherige Linie und den „Weg der Gewaltfreiheit“, wie er in der Kundgebung der EKD-Synode von 2019 vorgezeichnet worden war.2 Nachdem sich der Friedensbeauftragte der EKD, der Bischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland Friedrich Kramer, schon sehr früh gegen Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen hatte, lagen spätestens im April, als sich sowohl die EKD-Ratsvorsitzende als auch die Präses der EKD-Synode zustimmend geäußert hatten, zwei sich grundsätzlich widersprechende Positionierungen von offizieller Seite zum Thema Waffenlieferungen an die Ukraine vor. Die pazifistischen Stimmen in der EKD sind in der Zwischenzeit leiser und etwas konzilianter geworden3, doch zeigte die EKD-Synode im November 2022, dass die Debatte weiter geht. Die folgenden Ausführungen sind daher nicht mehr als eine Zwischenbilanz. Sie versuchen gleichwohl, die innerprotestantische Debatte um die Ukraine-Invasion und die angemessene Reaktion darauf zu strukturieren. Die drei im Titel dieses Beitrags genannten Kategorien – soziale Verteidigung, Schuld und Abschreckung – stehen für drei friedensethische Fragestellungen, die die Auseinandersetzung zu verschiedenen Zeitpunkten bestimmt haben und weiter bestimmen. Den ihnen gewidmeten Abschnitten wird eine historische Kontextualisierung vorausgestellt, die verdeutlichen soll, wie die konträren Positionen zum Einsatz militärischer Gewalt dem Protestantismus von seinen Anfängen her eingeschrieben sind und wie sie seither um die friedensethische Deutungshoheit streiten. Bei all dem bemühe ich mich um Objektivität in der Rekonstruktion, werde aber, insbesondere in der abschließenden Auswertung, meine eigene Position nicht verschweigen. Diese besteht, kurz gesagt, darin, dass das Leitbild des gerechten Friedens, wie es in der EKD-Friedensdenkschrift von 2007 entwickelt wird, in seiner Grundgestalt maßgebliche ethische Orientierung für das Handeln im Angesicht der russischen Invasion bietet. Gerade der Gedanke eines gerechten und nachhaltigen Friedens, wie er dieses Leitbild charakterisiert, rechtfertigt den Einsatz rechtserhaltender und -durchsetzender Gewalt im Kampf der Ukraine gegenüber dem Aggressor und die bestmögliche Unterstützung dieses Kampfes durch die Weltgemeinschaft.



Anmerkungen

1 | Roger Mielke, An der Epochenschwelle. Evangelische Friedensethik revisited – anlässlich des Überfalls Putins auf die Ukraine, in: Zeitzeichen (28.02.2022), https://zeitzeichen.net/node/9601 (aufgerufen am 03.01.2023). In diesem Beitrag spricht der evangelische Militärdekan Mielke von einem „normativen Wolkenkuckucksheim“, in das sich die „gegenwärtige Konjunktur pazifistischer Ethikmuster im kirchlichen Protestantismus“ verloren habe, und fordert ein „Revirement“ der evangelischen Friedensethik hin zu einer stärker „wirklichkeitsgesättigten“ Argumentation. Johannes Fischer, Ein Scherbenhaufen. Kritische Anmerkungen zur offiziellen Friedensethik der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), in: Zeitzeichen (02.03.2022), https://zeitzeichen.net/node/9604 (aufgerufen am 03.01.2023). Fischer, emeritierter Professor für Ethik an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich, kritisiert insbesondere die EKD-Synodenkundgebung von 2019, die aus seiner Sicht „auf einer fundamentalen theologischen Verirrung“ beruht, nämlich „frommem Wunschdenken“, das „zwischen Fragen des Glaubens und Fragen der (Sicherheits-)Politik nicht zu unterscheiden imstande oder willens ist“. Etwas später (24.04.2022) spricht Hans Michael Heinig, der Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD, von einer friedensethischen „Ponyhof-Theologie“ in weiten Teilen des deutschen Protestantismus, Evangelische Friedensarbeit (Hg.), Heinig: Evangelische Friedensethik greift zu kurz, EPD-Meldung 24.04.2022, https://www.evangelische-friedensarbeit.de/epd-meldungen/ heinig-evangelische-friedensethik-greift-zu-kurz (aufgerufen am 03.01.2023).
2 | Interview Friedrich Kramer/Stephan Kosch: „Russland ist nicht unser Feind“. Interview mit Friedrich Kramer, Friedensbeauftragter der EKD, über Friedensdemonstrationen, Waffen für die Ukraine und die friedenspolitischen Aufgaben der evangelischen Kirche, in: Zeitzeichen (01.03.2022), https://zeitzeichen.net/node/9602 (aufgerufen am 03.01.2023). Das Interview wurde am 28.02.2022 geführt. Ralf Becker, Die Zeichen der Zeit erkennen. Über christliche Verantwortungsethik und die Notwendigkeit, Möglichkeit und Wirksamkeit gewaltfreier Konfliktbewältigung, in: Zeitzeichen (23.03.2022), https://zeitzeichen.net/node/9624 (aufgerufen am 03.01.2023). Ich gehe im Abschnitt 3 auf die Argumentation ein.
3 | Friedrich Lohmann, Zeitenwende in der Friedensethik? Der Pazifismus im Angesicht des russischen Angriffs auf die Ukraine, in: Ethik und Militär 2 (2022), 18–25, http://www.ethikundmilitaer.de/de/themenueberblick/20222-kriegin- der-ukraine/lohmann-zeitenwende-in-der-friedensethik-der-pazifismus-im-angesicht-des-russischen-angriffsauf- die-ukraine/ (aufgerufen am 03.01.2023). [...]


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