Was haben Theolog(inn)en, Psycholog(inn)en, Soziolog(inn)en und Kriminolog(inn)en gemeinsam? – Im Falle der Forschungsgruppe „Religion und Gesellschaft“ ein transdisziplinäres Interesse an der Erstkommunionkatechese!
Die Feier der Eucharistie ist katholisch „Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens“ (LG 11) – und fast ausnahmslos alle katholisch getauften Kinder feiern ihren ersten Empfang dieses Sakramentes im Kreis ihrer Kirchengemeinde, mit Gästen und Geschenken; im Jahr 2012 waren das 202.088 Erstkommunionkinder.
Damit sind die meisten der bisher gesicherten Fakten rund um die Erstkommunion in Deutschland berichtet. Die Erstkommunionkatechese ist sowohl hinsichtlich der Teilnehmeranzahl als auch mit Blick auf den Aufwand in den Gemeinden der größte religiöse Bildungsbereich jenseits der Schule – und dennoch blieben bislang grundlegende Fragen offen: Warum nehmen die Kinder an der Erstkommunion teil? Wie bereiten sie sich darauf vor bzw. werden sie darauf vorbereitet? Welche Ziele werden seitens der katholischen Kirche mit der Erstkommunion verbunden? Wie unterscheiden sich die verschiedenen Kursmaterialien für die Erstkommunion? Welche Rolle spielen die Eltern? Was lernen Kinder und Eltern in dieser Zeit? Wie denken sie über die Eucharistie, Glaube, Kirche, Gott …? Welche Auswirkungen haben ihre Religiosität und die Erstkommunionkatechese auf ihre Werte und ihr Handeln?
Diesen Fragen wissenschaftlich nachzugehen verlangt neben theologischer bzw. religionspädagogischer Kompetenz Fähigkeiten in empirischer Sozialforschung und – bei einer repräsentativ angelegten quantitativen Erhebung mit Blick auf kausale Zusammenhänge – statistische Spezialkenntnisse. Der Zusammenhang zwischen der Vermittlung religiöser Werte und ihrer Wirkung auf Delinquenz ist gleichzeitig kriminologisch interessant. So fand sich die interdisziplinär aus Religionspädagog(inn)en, Kriminolog(inn)en, Psycholog(inn)en und Soziolog(inn)en bestehende Forschungsgruppe „Religion und Gesellschaft“, deren Evaluationsstudie zur Erstkommunionkatechese von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert und von den Universitäten in Dortmund, Bonn, Frankfurt/St. Georgen, Heidelberg und Tübingen aus deutschlandweit durchgeführt wurde. Die Forschungsgruppe arbeitet nicht nur inhaltlich interdisziplinär, sondern auch methodisch triangulierend im Sinne von mixed methods zusammen. Die Beiträge der Forschungsgruppe im Themenheft „Erstkommunionkatechese – Analysen und Perspektiven“ der ThQ sind in diesem Sinne jeweils von einem Autorenteam aus Wissenschaftler(inne)n verschiedener Universitätsstandorte, universitärer Disziplinen und empirischer Forschungsstrategien verfasst.
Grundlegend fassen Simone Hiller, Klaus Kießling und Nicole Toms den soziologischen wie religionspädagogischen Erkenntnisstand zu religiöser Sozialisation und Entwicklung von Kindern im Erstkommunionalter zusammen, was in eine kritische Reflexion von Theorien religiöser Entwicklung „Stufe für Stufe?“ mündet. Stefan Altmeyer und Dieter Hermann stellen Ergebnisse der empirischen Analysen der Forschungsgruppe vor, die Prozesse und Wirkungsmechanismen religiöser Sozialisation insgesamt zu verstehen helfen und förderliche wie hinderliche Faktoren für eine erfolgreiche Eucharistiekatechese aufzeigen: „Wer hat, dem wird gegeben?“ Norbert Mette beschreibt auf der Grundlage einer Spezialauswertung im Rahmen der Studie der Forschungsgruppe, die Ergebnisse durch den Originalton einiger Probandinnen und Probanden lebendig werden lässt, „Wie Kinder und Erwachsene ‚Eucharistie‘ bzw. ‚Kommunion‘ verstehen“. Bernd Jochen Hilberath begegnet der im vorigen Beitrag bei Kindern und Eltern festgestellten Sprachlosigkeit mit an Familien gerichteten „Eucharistietheologische[n] Elementarisierungen für Eltern und Kinder“. Angelika Treibel, Perke Fiedler und Reinhold Boschki stellen mit Blick auf „Perspektiven für eine innovative Erstkommunionkatechese” weitere Ergebnisse aus der quantitativen und qualitativen Studie der Forschungsgruppe vor und zeigen im Sinne einer Reflexion und Revision bisheriger katechetischer Konzepte innovative praktische Implikationen für die konkrete religiöse Bildungsarbeit in den Gemeinden auf. Im Kritischen Forum fordert Albert Biesinger anschließend an die Ergebnisse der Analysen alle Verantwortlichen dazu auf, dass sie „Eltern endlich mehr zutrauen“ – denn: „Wer es mit Kindern gut meint, muss es auch mit ihren Eltern gut meinen.“
Tübingen, im Februar 2014
Der Forschungsgruppe „Religion und Gesellschaft“, die das von der DFG geförderte Projekt „Erstkommunionkatechese – eine Evaluationsstudie“ durchgeführt hat, gehören an: Prof. Dr. Reinhold Boschki, PD Dr. Stefan Altmeyer (Universität Bonn), Prof. em. Dr. Dr. Norbert Mette, Monika Duda (TU Dortmund), Prof. Dr. Dr. Klaus Kießling, Michael Mähr (PTH Frankfurt/St. Georgen), Prof. Dr. Dieter Hermann, Dr. Angelika Treibel, Nicole Toms, Perke Fiedler (Universität Heidelberg), Prof. Dr. Albert Biesinger, Simone Hiller, Dr. Melanie Wegel (Universität Tübingen).