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Leseprobe 3 DOI: 10.14623/thq.2022.1.100–118
Stefan Metz
Faule Götter?
Römische Muße und epikureische Theologie in der christlichen Rezeption durch Tertullian und Paulinus von Nola
„Meister, was sind das für Leute, die in diesen Steinsärgen begraben sind und so qualvolle Seufzer hören lassen“? Und er zu mir: „Das sind die Stifter der Ketzereien unterschiedlicher Sekten […]. Auf dieser Seite ist Epikur begraben und alle seine Anhänger, die die Seele mit dem Körper sterben lassen.“ Dante, Commedia, Canto 9–10 (Übers. Flasch).

Als Dante bei seinem Abstieg durch das Inferno den sechsten Kreis der Hölle und damit den Bestrafungsort der Häretiker erreicht, sieht er dort zuerst den antiken Philosophen Epikur. Zusammen mit anderen Häretikern weilt dieser dort in offenen, brennenden Gräbern. Als Grund für Epikurs Höllenstrafe nennt der literarische Vergil die epikureische Vorstellung einer Sterblichkeit der Seele. Als bekanntester Vertreter dieser Lehre bringt Epikur dies die zweifelhafte Ehre ein, das prominente Beispiel eines Haeresiarchen in der Commedia zu sein. War die Renaissance eine Zeit der Wiederentdeckung der Antike, so war die Auseinandersetzung mit und die Abgrenzung von der zeitgenössischen antiken Philosophie für die Theologen der Alten Kirche genuin ein zentrales Element der Herausbildung der eigenen Lehre und Identität. Als Populärphilosophie war der Epikureismus der Kaiserzeit – neben Stoizismus und Platonismus – eine der philosophischen Strömungen, mit denen sich die formierende Alte Kirche auseinanderzusetzen hatte. Neben der epikureischen Vorstellung einer Vergänglichkeit der Seele wurde auch das epikureische Gottesbild einer (polemischen) christlichen Kritik unterzogen: Die Götter der Epikureer:innen seien faule, nichtsnutzige und sich dem Müßiggang hingebende Wesen. Dieser weniger beachtete Aspekt christlicher Philosophie-Kritik soll im Rahmen des vorliegenden Beitrags untersucht werden, da sich hieran auch zentrale Aspekte der christlich-theologischen Rezeption antiker Muße-Konzeptionen herausarbeiten lassen. Denn die Polemik gegen die epikureischen Götter wird bei den hier vorgestellten Autoren im Kontext eines römisch Muße-Diskurses vorgebracht: Unter Verwendung von Begriffen aus dem semantischen Feld von otium und negotium wird dabei ein Bild der epikureischen Gottesvorstellung gezeichnet, das sich zur Kontrastierung mit dem christlichen Schöpfergott eignet. Um die These darzulegen, wie christliche Theologie den römischen otium/negotium-Diskurs aufgreift, um damit die Epikureische Göttervorstellung (sozial) zu delegtimieren, benötigt es der folgenden Schritte:

Vorbereitend bedarf es einer Annäherung an das Themenfeld des römischen otium und seiner Relevanz für die Polemik der christlichen Römer Tertullian und Paulinus von Nola. Diese Ausführungen sind nicht nur als Grundlage für die hier untersuchten christlichen Autoren von Belang. Im Rahmen des vorliegenden Themenheftes dient die Annäherung an das römische otium auch als historische Perspektive auf das vielfältige Phänomen, das gemeinhin summarisch mit ‚Muße‘ übersetzt wird. Nach dieser Einführung folgt eine Darstellung der epikureischen Gotteslehre als Grundlage und Korrektiv für die anschließend an den Beispielen von Tertullian (Apologeticum 47; Ad nationes II,2) und Paulinus von Nola (Epist. 16) herausgearbeitete Rezeption des epikureischen Denkens, das die beiden Theologen für ihre Zwecke modifizieren. Durch die Verbindung der epikureischen Theologie mit dem Diskurs um otium und negotium kann abschließend aufgezeigt werden, wie durch partikuläre und verfremdende Aufnahme von Konzepten – hier der epikureischen Vorstellungen über Sein und Handlen von Gottheiten – diese sowohl theologisch als auch (über dem Muße-Diskurs) gesellschaftlich diskreditiert werden. Angestoßen durch die hier aufgezeigte Verknüpfung Muße und Theologie, schließt der Beitrag mit Überlegungen zum Verhältnis von otium und (spätantiker) Religion.

1. otium und negotium – Zwei Seiten einer Medaille

Das römische otium kann nicht ohne sein Gegenüber negotium vorgestellt werden. Wie die sprachliche Ableitung neg-otium erahnen lässt, stehen sich die beiden Termini dichotom gegenüber. So klar diese Fronten auf terminologischer Ebene erscheinen, so unklar und differenziert ist ihr Gebrauch auf semantisch-konzeptioneller Ebene: Was sie jeweils bedeuten und ob sie positiv oder negativ konnotiert sind, ist extrem vom konkreten Kontext und der sprechenden Person bzw. deren Intention abhängig. Die Ausführungen dieses Abschnitts können daher nur einen Einblick in den römischen Diskurs um diese beiden Begriffe geben. Aus dem semantischen Reichtum des Terminus otium werden im folgenden diejenigen Aspekte mit einem Schlaglicht beleuchtet, die sich auf das otium der aristokratischen Oberschicht beziehen. Dieser Ausschnitt ist derjenige, der für die später zu analysierende Kritik am epikureischen Gottesbild zentral ist. Daneben kann otium auch abstrakte Zustände wie inneren und äußeren Frieden oder die Muße als Voraussetzung poetischen Schaffens eines Dichters bezeichnen.

Der Fokus auf die aristokratische Oberschicht führt direkt zu den genannten Antonymen. Die allgemeinste Bestimmung dieser beiden Termini kann mit frei verfügbarer Zeit (otium) und nicht frei verfügbarer Zeit (negotium) gegeben werden. Unterschiede in Semantik und Konnotation ergeben sich in der Folge aus der Frage, wie die jeweiligen Zeiten inhaltlich bestimmt sind. Für die folgenden Ausführungen dienen besonders die Werke Ciceros und Senecas als Exemplum. [...]


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