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Editorial DOI: 10.14623/thq.2019.2.73-74
Reinhold Boschki
Bildung ist in der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation ein „heißes Eisen“. Zahlreiche Akteure versuchen sich ihrer zu bemächtigen, entwerfen „Visionen“ für Bildung, basteln an Definitionen, wollen Einfluss auf Bildungspolitik, Bildungsinstitutionen und schließlich auf die konkreten Lernenden nehmen. Ohne Zweifel verändern sich die Bildungslandschaften in den europäischen Ländern, gewiss auch global, ebenso rasant wie die Gesellschaften selbst. Transformation ist das analytische Zentralstichwort für die Beschreibung rasanter Prozesse, die die Menschen – so auch die Akteure im Bildungsbereich – in einen Strudel des Wandels ziehen, wobei unklar ist, wohin genau die Reise geht. Einige Aspekte der Transformation des Bildungswesens seien hier genannt.

Längst bestimmen nicht mehr Bildungsphilosophen wie einst Wilhelm von Humboldt, die gleichzeitig Minister und Politikgestalter sind, darüber, wie Bildungsinstitutionen organisiert sind und was sie an Inhalten weitergeben. Bildung heute steht unter Ökonomiedruck. Sie muss effizient, leistungsorientiert und wirtschaftsfördernd sein, wenn Nationen im internationalen Wettbewerb Schritt halten wollen. Die weltweiten Bildungsvergleichsstudien, die auch in Deutschland für Furore sorgen (Stichwort „Pisaschock“), und deren Ergebnisse immer wieder gebannt und ängstlich erwartet werden, sind von der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa (OECD) in Auftrag gegeben, dem mächtigen, überstaatlichen Interessensverband der globalen Wirtschaft. Er scheint zu bestimmen, was gute Bildung bedeutet, welche Staaten zu den „Tops“ gehören, welche nicht, welcher Unterricht der beste ist und was die Schülerinnen und Schüler am Ende können sollen. Bildung – eine Angelegenheit der Ökonomie?

Politikerinnen und Politiker aller Provenienz reden über Bildung und ihre Bedeutung für alle Menschen. Es kommt gut an, wenn man sich auf die Fahnen schreibt, Bildung zu fördern und allen eine gerechte Bildung zuteil werden zu lassen. Doch Bildungsgerechtigkeit ist allenfalls eine Utopie, keine Realität, da nicht alle Menschen in den unterschiedlichen sozialen, ethnischen, kulturellen, sprachlichen und nationalen Kontexten in gleicher Weise an Bildung partizipieren können. Genderaspekte, die Frage nach Inklusion, Bildungsnähe oder -ferne des Elternhauses und vieles mehr spielen in die Thematik der Gerechtigkeit im Bildungswesen hinein. Bildung – ein Privileg für die ohnehin schon Privilegierten?

Bildung war nie neutral, hat sich aber in den vergangenen Jahren vom Neutralitätsgebot noch weiter entfernt. Parteipolitische Interessen wollen Lehrenden an Schulen und Dozierenden an Hochschulen eine bestimmte Gesinnung verordnen, beispielsweise dann, wenn sie als zu links gelten, gegen rechte Parteien und rechtes Gedankengut im Unterricht Stellung beziehen. Online-Plattformen sind installiert, um „schwarze Listen“ anzulegen, unbequeme Lehrende zu identifizieren und anzuprangern. Bildung – ein Spielball rechtsradikaler Einflussnahmen?

Kaum ein Prozess transformiert unsere Alltags- und Lebenswelt, die berufliche Sphäre, Politik und Gesellschaft im Ganzen – auch wiederum die Bildungslandschaft – so sehr wie die Digitalisierung. Sie greift hinein ins Private, greift Daten ab, verändert Sozialbeziehungen, Mentalitäten und Identitätskonstruktionen. „Ohne mein Smartphone bin ich ein Nichts“, sagte eine sechzehnjährige Jugendliche, deren Handy auf dem Schulhof gestohlen wurde. Für (junge) Menschen sind Medien zentral für ihre Selbst- und Sozialbeziehungen, ist das Netz Hauptquelle ihrer Informationen und ihres Weltbildes. Persönlichkeits-Bildung – fest in digitaler Hand?

Stichworte wie Heterogenität und Pluralität sind geläufige Termini, um die nach- bzw. spätmoderne Gesellschaft zu beschreiben. Dazu gehört kulturelle und religiöse Vielfalt, die nicht deshalb vernächlässigbar wäre, weil sie sich unter der Oberfläche des Öffentlichen, also im Privaten abspielen würde. Religionen sind in der Öffentlichkeit mehr präsent als erwartet, was für Bildung im Allgemeinen und religiöse Bildung im Speziellen eine besondere Herausforderung darstellt. Fragen der religiösen Identität sind hier ebenso virulent wie die der interreligiösen Verständigung. Religiöse Bildung – Störfaktor oder Promotor für friedliches Zusammenleben?

Bildung ist auch ein Zentralaspekt kirchlicher Präsenz in der Gesellschaft. Kirche wird sich in den nächsten Jahren immer stärker über Bildung in gesellschaftlichen Prozessen bemerkbar machen können – mehr als über ihre genuinen religiösen Vollzüge. Religionsunterricht und kirchliche Erwachsenenbildung erreichen Menschen, die meist nicht im Gottesdienst sind und niemals eine Predigt hören oder gar eine kirchliche Verlautbarung lesen. Bildung – ein kirchlicher Grundvollzug?

All diese Aspekte, die hier nur angedeutet werden können, sind Grund genug, dass sich auch die Theologie der Frage nach Bildung stellt. Wie kann Bildung theologisch begründet und reflektiert werden? Hat Bildung einen theologischen Kern? Und wenn ja, wie kann dieser Kern für die gegenwärtigen Bildungsdebatten fruchtbar gemacht werden, ohne in das alte Fahrwasser eines theologisch-normierten Bildungsverständnisses zurückzufallen?

Derlei Fragen waren Anlass, die Beiträge dieses Heftes so zusammenzustellen, dass sie aus unterschiedlicher Perspektive das Phänomen der Bildung theologisch anleuchten. Sie ergründen die Ursprünge des abendländischen Bildungsdenkens, das theologische Wurzeln hat, betreiben Spurensuche für Bildungsreflexion in Judentum, Christentum und Islam durch Vertreterinnen und Vertreter jüdisch-philosophischer sowie christlich- und muslimisch-theologischer Positionen, unternehmen das Gespräch mit gegenwärtiger Sozialphilosophie und Bildungstheorie.

Ziel dieser Auseinandersetzungen ist es, Bildung theologisch zu reflektieren und zu qualifizieren, um sich gegenwärtigen Bildungsdiskursen bzw. Bildungsbemächtigungen auch theologisch stellen zu können.

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