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Leseprobe 2
Franz-Josef Bormann
Abschied von der Verbotsmoral
Zur Bedeutung eines fähigkeitstheoretischen Ansatzes für die Moraltheologie
Die Aufgabe der Ethik besteht darin moralische Begriffe zu klären, Argumente zu prüfen, Normen zu begründen, Haltungen zu reflektieren und so eine praktische Orientierung im Alltag zu ermöglichen, die es den Menschen gestattet, nicht nur relativ spannungsfrei miteinander auszukommen, sondern auch ihre Vorstellungen von einem gelungenen ›guten Leben‹ schrittweise zu verwirklichen.

Schon ein flüchtiger Blick in die Geschichte der Ethik lehrt jedoch, dass es in der Durchführung dieses breit gefächerten Aufgabenprofils immer wieder zu methodischen und inhaltlichen Engführungen gekommen ist, die dazu beigetragen haben, die lebensdienliche Kraft der ethischen Reflexion zu verdunkeln. Solche Engführungen hat es in der philosophischen Ethik ebenso gegeben wie in der Moraltheologie: Allzu oft stand hier gerade auch im Blick auf die lehramtliche Profilierung des christlichen Ethos in der Vergangenheit das moralische Scheitern des Menschen eher im Vordergrund als das Gelingen des Lebens in der Nachfolge Jesu. Da die auffallende Fixierung auf den Sünden-Begriff im Allgemeinen und auf bestimmte sexuelle Verfehlungen im Besonderen zweifellos eine schwere Hypothek für den Verkündigungsdienst der Kirche darstellt, ist es um so erfreulicher, dass sich das Lehramt mit dieser Problematik im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils kritisch auseinandergesetzt und die Notwendigkeit einer Erneuerung der theologischen Studien betont hat. Im Dekret zur Priester- (und Theologen-)Ausbildung stellen die Konzilsväter fest:

»(Es) sollen die … theologischen Disziplinen aus einem lebendigeren Kontakt mit dem Geheimnis Christi und der Heilsgeschichte neu gefaßt werden. Besondere Sorge verwende man auf die Vervollkommnung der Moraltheologie, die, reicher genährt aus der Lehre der Schrift, in wissenschaftlicher Darlegung die Erhabenheit der Berufung der Gläubigen in Christus und ihre Verpflichtung, in der Liebe Frucht zu tragen für das Leben der Welt, erhellen soll.« (OP 16)

Statt im Stile der traditionellen ›Sündenmoral‹ das moralische Versagen zum Dreh- und Angelpunkt der moraltheologischen Reflexion zu erklären, fordern die Konzilsväter eine konzeptionelle Neuorientierung, die sich vor allem durch eine größere Nähe zur Heiligen Schrift und eine stärkere Orientierung an der positiven Berufung des Christen orientiert.

Die folgenden Überlegungen versuchen, diese Mahnung des Konzils ernst zu nehmen und ein Modell ethischer Reflexion zu skizzieren, das sich sowohl im schulischen Religionsunterricht als auch in der pastoralen Praxis als hilfreich erweisen könnte. Dazu werden in einem ersten Schritt einige allgemeine Überlegungen zur Bedeutung des Fähigkeiten-Begriffs für die Ethik im Allgemeinen und für die Moraltheologie im Besonderen angestellt. Ein zweiter Schritt soll diese allgemeinen Überlegungen am Beispiel des christlichen Liebesgebotes dann näher konkretisieren.

1. Zur systematischen Bedeutung der Kategorie der ›Handlungsfähigkeit‹

Von ›Fähigkeiten‹ ist in der gegenwärtigen Ethik viel die Rede. Man spricht mittlerweile sogar in der angelsächsischen Diskussion von einem sog. capability-approach, der vor allem mit dem Namen des indischen Moralphilosophen und Nobelpreisträgers Amartya Sen und der in Chicago lehrenden Philosophin Martha Nussbaum verbunden ist. Während es diesen Autoren jedoch vor allem darum geht, eine möglichst umfassende Liste von Einzelfähigkeiten zusammenzustellen, die für die ›menschliche Lebensform‹ charakteristisch ist, möchte ich hier noch einmal etwas grundsätzlicher ansetzen und danach fragen, ob es nicht so etwas wie eine basale Grundfähigkeit des Menschen gibt, die allen diesen verschiedenen Einzelfähigkeiten noch vorausliegt und daher als übergeordneter Bezugspunkt moralischer Orientierung zu dienen vermag. Meines Erachtens lässt sich zeigen, dass diese gesuchte Fähigkeit aus der Grundsituation des Handelns selbst ableitbar ist.

Der Mensch zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass er sich nicht nur wie ein Tier mehr oder weniger instinktiv ›verhält‹, sondern dass er ›handelt‹, d. h. seine Aktivitäten frei, bewusst und planmäßig unter dem Einfluss seiner praktischen Vernunft steuern kann. Dem Begriff des Handelns korrespondiert der Begriff der Verantwortung. Weil der Mensch so oder anders handeln kann, trägt er Verantwortung für sein Tun und Unterlassen. Die Befähigung zum Handeln ist für unser Selbstverständnis als Personen von grundlegender Bedeutung – sie ist also weit mehr als nur eine beliebige akzidentelle Bestimmung des Menschseins.

Da die Situation des Handelns für den Menschen schlechthin alternativlos ist (der Mensch also nicht dauerhaft nicht-handeln kann) und da das Handelnkönnen seinerseits wiederum an bestimmte Voraussetzungen (z. B. Güter und Rechte etc.) gebunden ist, scheint es naheliegend zu sein, in der individuellen Handlungsfähigkeit selbst den entscheidenden Inhalt eines obersten allgemeinen Moralprinzips zu erblicken.

Der Schutz und die Sicherung der individuellen Handlungsfähigkeit ist nicht irgendein subjektives zeit- oder kulturabhängiges Strebensziel des Menschen, auf das dieser begründeterweise auch verzichten könnte, sondern sie ist die Bedingung der Möglichkeit dafür, sich überhaupt Ziele gleich welcher Art setzen und diese durch das eigene planvolle Handeln auch tatsächlich erreichen zu können. Daher gilt, dass jeder, der überhaupt irgendetwas wirklich will, notwendigerweise auch immer schon zumindest implizit die Entwicklung, Förderung und Entfaltung der eigenen Handlungsfähigkeit wollen muss.

Im Blick auf diese zentrale moralische Bedeutung der individuellen Handlungsfähigkeit könnte sich ein verantwortungsvolles Handeln von folgendem Grundsatz leiten lassen, den ich in Anlehnung an Immanuel Kants berühmten Kategorischen Imperativ folgendermaßen formulieren möchte:

Handle so, dass du deine eigene Handlungsfähigkeit sowie die Handlungsfähigkeit der von deinem Handeln Betroffenen nach Möglichkeit umfassend entfaltest und gleichberechtigt förderst und nicht ohne zwingenden Sachgrund beeinträchtigst oder gar zerstörst.

Auf drei Vorzüge einer solchen Maxime sei kurz verwiesen:

Erstens ist der Begriff der ›Handlungsfähigkeit‹ in der Lage, als Bezugspunkt einer objektiven Güter-Lehre zu fungieren. Jede Ethik, die sich im Alltag unseres praktischen Entscheidens als hilfreich erweisen möchte, muss Auskunft darüber geben, wie das Verhältnis zwischen den verschiedenen (naturalen, sozialen oder auch öffentlichen) Gütern zu bestimmen ist, mit denen wir es in unseren konkreten Entscheidungen zu tun haben.
[...]


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