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Leseprobe 3 DOI: 10.14623/thq.2018.1.53-65
Andreas Holzem / Volker Leppin
Von der Scholastik zum Exzellenzcluster
Theologie an der Universität – ein Workshop-Bericht
2. Die Gründung der Universität Tübingen: Freiheitsbrief des Grafen Eberhard im Barte für seine Universität Tübingen, 9. Oktober 1477

Graf Eberhard der Ältere, der „im Barte“ genannte, ließ 1477 ein schlichtes Plakat veröffentlichen: Nachdenklichkeit über die Geschichte der Welt, die Entwicklung der Menschheit und die Wohltaten Gottes an der Schöpfung und den Sterblichen gelte es mit einem angemessenen Werk zu beantworten. Eine so motivierte Stiftung hätte noch kurz zuvor einer Kirche oder mindestens einem prächtigen Altar, vielleicht auch einem Hospiz oder Spital gegolten. Eberhard aber gründete eine Universität. Denn „nichts sei geeigneter, ein glückliches Leben zu erlangen, nichts könne dem unsterblichen Gott willkommener sein, als der Beschäftigung mit den schönen Künsten in emsigem Fleiß und Wettstreit nachzugehen und dafür Sorge zu tragen, dass die Wissenschaften in den unserer zeitlichen Herrschaft unterworfenen Ländern in Blüte stehe […].“

Das war ein einerseits erwartbarer und ein andererseits mutiger Schritt. Denn einerseits schossen im Deutschen Reich die Universitäten wie Pilze aus dem Boden: Die ältesten fünf, alle noch im 14. Jahrhundert gegründet, waren Prag, Wien, Heidelberg und Köln, schließlich Erfurt. Nach der Mitte des 15. Jahrhunderts folgten in der zweiten Welle Freiburg, Basel, Ingolstadt, Trier, Mainz und dann Tübingen; 1502 kam Wittenberg hinzu. Die langsam zu Staaten in einem klar umgrenzten Territorium zusammenwachsenden Herrschaftsverbände benötigten schreib- und rechtskundige Beamte. Die nach wie vor andrängenden Fragen der Kirchenreform verlangten nach intellektuell sattelfesten Geistlichen. Der Humanismus, dessen Bildungsimpuls von Italien über die Alpen drängte, forderte und förderte Gelehrtenmilieus, in denen Texte der heidnischen Antike und der christlichen Spätantike sprachkundige Interpreten, textkritische Herausgeber und technisch versierte Drucker fanden. Darum war die Gründung der Universität Tübingen ein erwartbarer Schritt, der ganz und gar dem Zeitgeist entsprach.

Mutig war der Schritt andererseits, weil er ausgerechnet in Tübingen stattfand, einer ackerbürgerlich geprägten Kleinstadt von vielleicht dreitausend Einwohnern, die noch in den Reiseberichten des 18. Jahrhunderts als verwinkeltes Provinznest verhöhnt werden sollte. Eberhard inszenierte mit erstaunlicher Konsequenz ein integriertes Programm landesherrlicher Innovation: Er rief die Universität Tübingen ins Leben, und gleichzeitig förderte er die Devotio moderna der „Brüder vom gemeinsamen Leben“. Eberhard war umsichtig genug, um sich die Translation kirchlicher Pfründen zur Finanzierung der Universität von Papst und Kaiser absegnen zu lassen. Aus den acht Kanonikaten schneiderte er sechs Voll-Professuren für Doktoren: drei für die Theologie und drei für das Kanonische Recht. Dazu kamen zwei Magister für die Jurisprudenz des römischen Rechts. Damit war der Schwerpunkt der Ausbildungsbedürfnisse des entstehenden frühmodernen Staates offenkundig. Für die Theologie ging es vor allem um die Ausbildung eines weltkundigen, aber nicht verweltlichten Pfarrklerus, der dem gesteigerten Bildungsstand und Orientierungsbedürfnis städtischer Laien durch Predigt und Individualseelsorge gewachsen war. Gabriel Biel, Leitfigur der Devotio moderna in Württemberg und führender Theologe der frühen Jahre, pochte dafür auf ein intensiviertes Bibelstudium, das dem reformatorischen sola scriptura nahekam: Wer die Bibel nicht kenne, könne eine geistliche Schafherde nicht auf eine fruchtbare Weide führen: „Wie nämlich wird gepredigt werden, wenn nicht gelesen wird, und wie wird gelesen, wenn nicht geschrieben wird?“ Für die Rechtswissenschaft ging es um die Rationalisierung der Verwaltung, die Verschriftlichung und damit Verstetigung staatlicher Institutionen und somit um die Befriedung und Festigung öffentlichen Lebens in einem christlichen Gemeinwesen. Vier deutlich schlechter besoldete und im Senat minder berechtigte Magister-Lehrstühle für das Propädeutikum der artes liberales als Keimzelle einer Philosophischen Fakultät fielen auch noch ab; zwei Medizin-Magister erhielten ihr Salär aus herrschaftlichen Fonds.

Der Theologie kam in einer solchen Universität zwar der Rang der ersten Fakultät, ansonsten aber keine Sonderstellung zu. Es waren alle Disziplinen, die der Universitätsgründer dazu bestimmte, Lehrbetrieb und fromme Praxis im Sinne der Brüder vom gemeinsamen Leben eng miteinander zu verschränken, und zwar ideell wie personell. Man sieht sofort, welches Potential eine solche Frömmigkeit für die Verdichtung von Landesherrschaft barg, ohne in ihrem geistlichen Eigenwert darin aufzugehen. Eine Pastoraltheologie, die dem Ordens- und Klerikerstand keine per se höhere Dignität und keine größere Verdienstlichkeit mehr zumaß, fügte sich zu einer Landespolitik, die engagierte und fromme Untertanen, aber kein institutionelles Sonderbewusstsein religiöser Körperschaften brauchen konnte. Nach Gabriel Biel, der die Ausbreitung der Devotio moderna in Württemberg in enger Abstimmung mit dem Grafenhaus vorangetrieben hatte, wurde der wohl prominenteste Tübinger Schüler Biels, Wendelin Steinbach (1454–1519), zur Leitfigur einer engen Verflechtung von Universitätsstudium und Seelsorgereform. Als er starb, hatte die Reformation mit Martin Luthers Thesen über den Ablass (1517) bereits begonnen. [...]


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