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Leseprobe 2
Martin Kirschner
Mit Gott beginnen?
Prolegomena zur Dogmatik als Suche nach dem rechten Anfang
„Bei jedem Geschäfte ist der Anfang das Wichtigste.“

„Die Vernunft selber ist Empfang,
insofern sie Empfang der Idee des Unendlichen ist
– und der Empfang ist rational.“

Der Anfang eines Werkes stellt die Weichen, die alles Weitere prägen und bestimmen. Dabei ist dem Menschen weder ein absoluter Anfang möglich noch lassen sich die Gründe des eigenen Anfangens ganz durchschauen oder rechtfertigen: Ein neues Werk zu beginnen knüpft immer schon an Vorhandenes an und fordert eine Entscheidung, die zu verantworten ist, ohne dass ihre Voraussetzungen ganz eingeholt werden können. Der Anlass und die Fragestellung, die dazu führen, einen Vortrag zu halten, einen Aufsatz oder ein Buch zu schreiben, prägen die Auswahl der Inhalte, die Art des Vorgehens, das Ziel der Ausführungen. Erst recht gilt dies für den Ansatz, von dem eine Theologie ausgeht und der Form und Inhalt ihrer Durchführung bestimmt.

Die folgenden Überlegungen gehen zurück auf meine Antrittsvorlesung als Privatdozent für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen. Die Frage nach dem rechten Anfang stellt sich hier ganz konkret im Blick auf die künftige Tätigkeit als Theologe: Wie lässt sich in der Dogmatik beginnen, damit sie dem Anspruch gerecht wird, Theo-logie, Rede von Gott zu sein? Kommt der Anfang zu einem Abschluss, oder besteht die Kunst der Theologie gerade im je neuen Beginnen, das sich darin dem je größeren Gott annähert? Die folgenden Ausführungen verweisen in einen solchen unabgeschlossenen Denkweg, der zudem – um mit Gott zu beginnen – gerade nicht von einem Ansatzpunkt allein ausgehen kann und daher mehrfach neu ansetzt.

Ich nähere mich zunächst philosophisch dem Problem des Anfangs als einer Aufgabe der Theologie (1). Danach skizziere ich zwei Modelle, die typisch sind für die Lehrbücher der Dogmatik vor bzw. nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil: der Beginn mit dem Dogma bzw. der heilsgeschichtliche Ansatz. Der dritte Abschnitt gilt dem Grundproblem theologischen Beginnens, das sichtbar wird, wenn die dogmatische Aufgabe mit der fundamentaltheologischen Reflexion verbunden wird: Wie lassen sich das Beginnen Gottes und das Beginnen des Menschen zusammendenken? Der letzte Teil zeichnet den Denkweg des Anselm von Canterbury nach, der am Beginn der Ausbildung wissenschaftlicher Theologie steht. Er ist nicht schulbildend geworden, hat aber – gerade mit seinem Gottesdenken – die großen Neuanfänge in der Theologie und Philosophie bis heute angeregt. An ihm möchte ich aufzeigen, wie theologisches Denken einen Prozess des je neuen Beginnens mit Gott bedeutet, der über das begriffliche Denken hinaus in die lebendige Beziehung zu Gott „von Angesicht zu Angesicht“ verweist.

1. Das Problem des Anfangs als Aufgabe der Theologie

Die Frage nach dem Anfang bricht auf, wo der Mensch sein Denken und Handeln reflektiert und dabei auf das Paradox stößt, selbst Neues zu beginnen, ohne den eigenen Anfang einholen zu können. So entdecken Platon und Aristoteles den Beginn der Erkenntnis im Staunen: Das Gegebene verliert seine Selbstverständlichkeit, wird zum Anlass von Fragen, die das Denken in Bewegung setzen, die den Menschen Antworten suchen lassen, wieder neue Fragen hervorbringen. Hannah Arendt beschreibt das menschliche Handeln als ein „Anfangen“ oder „Neubeginnen“, das sich nie ganz absehen und vorausberechnen lässt und darin auf die Freiheit und Spontaneität des Menschen verweist. Zugleich aber setzt es die Tatsache des Geborenseins voraus, die dem Bewusstsein uneinholbar vorgegeben bleibt und allem Handeln eingeschrieben ist.

Der Anfang bildet ein Grundproblem der Philosophie: Die metaphysische Frage nach der „arché“ als dem Ursprung des Seienden und dem Grund von Wahrheit zielt auf die Begründung von Welt und Erkenntnis in einem Ersten und Unbedingten. Schien in einem onto-theologischen Denken mit der Antwort „Gott“ ein solcher Grund benannt, so bricht die Frage nach dem Anfang mit der Metaphysikkritik Kants, Kierkegaards, Nietzsches und Heideggers umso schärfer und radikaler auf. Mit der Wendung des Denkens auf sich selbst kommt die Ursprünglichkeit der menschlichen Freiheit in den Blick, die wiederum an die individuelle Existenz und das leibhaftige Leben des Menschen zurückgebunden ist, ohne sich selbst ganz transparent zu werden und die eigenen Bedingungen der Möglichkeit einholen zu können. Das Denken selbst ist ein Ereignis in der Zeit. So verweist die Frage nach dem Anfang bei Heidegger auf die zeitliche Existenz des Menschen, schließlich auf das Ereignis des Seins selbst. Es geht nicht mehr nur um eine nachträgliche Vergewisserung des Denkens und seiner Gründe, vielmehr wird dieses selbst zu einem paradoxen Ereignis, das nicht auf einen selbstmächtigen Anfang des Subjekts zurückgeführt werden kann. Emmanuel Levinas bindet unter dem Eindruck der Shoah die Frage nach dem Anfang an die uneinholbare, diachrone Vorzeitigkeit des Anderen, spricht von einer an-archischen, passiven „Geburt“ des Menschen im Anruf des Anderen, in der er in seiner Freiheit als verantwortlich eingesetzt ist. Das beruhigt sich nicht in der Intention des Autors, sondern ist zurückbezogen auf ein ursprüngliches Sagen (dire), in dem der Eine dem Anderen ausgesetzt ist und ihm – über jedes vorab bestimmbare Maß hinaus – antwortet. Vor der (eigenen) Frage steht hier die Nähe des Anderen und die Verantwortung, die sie bedeutet; vor dem Anfang die unvordenkliche Vergangenheit, die Spur der Herrlichkeit Gottes, die „niemals vergegenwärtigt gewesen ist“, die selbst nicht zum Phänomen wird, „ohne Prinzip, ohne Anfang – anarchisch – bedeutet“ und darin das Subjekt aus seiner Immanenz weckt und in die Verantwortung für den Nächsten einsetzt. Von der Ethik als Erster Philosophie her geschieht hier ein Zeugnis von der Herrlichkeit des Unendlichen, das auf Gott verweist ohne mit ihm identifiziert werden zu können. [...]


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