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Leseprobe 2 DOI: 10.14623/thq.2025.4.354–366
Michelle Becka
Nun sag’, wie hast du’s mit der Demokratie?
Anmerkungen zu Kirche und Demokratie aus sozialethischer Sicht
Zusammenfassung
Nach einer kurzen Verhältnisbestimmung von Kirche und Demokratie vertritt der Beitrag die These, dass sich Kirche und Theologie in der Zivilgesellschaft einbringen und Demokratie mitgestalten müssen. Damit wendet er sich gleichermaßen gegen Forderungen nach Zurückhaltung im gesellschaftlichen Engagement wie gegen neuintegralistische Bestrebungen. Die Verantwortung dafür wächst angesichts aktueller Krisenphänomene der Demokratie. Insbesondere das Grundprinzip der Freiheit und die institutionelle Form der Demokratie stehen unter Druck. Wo es Fehlentwicklungen gibt, sind diese zu diskutieren, um auf Verbesserungen hinzuwirken. Grundsätzliches Infragestellen ist aber entgegenzutreten. Angesichts wachsender demokratiefeindlicher Tendenzen in katholischen Milieus hat Kirche eine besondere Verantwortung.

Abstract
Following a brief examination of the relationship between Church and democracy, this article argues that the Church and theology need to engage with civil society and contribute to shaping democracy. In doing so, it rejects both calls for restraint in social engagement and neointegralist aspirations. Responsibility for this increases as democracy faces current crises. In particular, the fundamental idea of freedom as well as the constitutional form of democracy are under pressure. Any undesirable developments must be addressed in order to bring about improvements. Any fundamental objections, however, ought to be resisted. Given the increasing antidemocratic tendencies in Catholic circles, the Church holds a distinct responsibility.

Schlüsselwörter/Keywords
Demokratietheorie; Freiheit; Sozialethik; Liberalismuskritik; Autoritarismus
Democracy theory; freedom; social ethics; critique of liberalism; authoritarianism


Es war ein langer Weg bis zur Anerkennung der Demokratie durch die katholische Kirche. Heute bekennt sie sich zur Demokratie und setzt sich für sie ein – das gilt für die päpstliche Sozialverkündigung ebenso wie für die deutschen Bischöfe. Mit Blick auf das konkrete Engagement stellen sich allerdings Fragen und Herausforderungen. Ein Problem legt sich wie eine Klammer um die weiteren: das der Glaubwürdigkeit. Die Kirche ist selbst nicht demokratisch organisiert. Es kann daher als Glaubwürdigkeits- und sogar Legitimationsdefizit gelten, dass sie ad extra fordert, was sie ad intra nicht praktiziert. Ob die theologischen Gründe, die dafür angebracht werden, stichhaltig sind, ist dabei eine nachgeordnete, v. a. im Inneren relevante Frage. Dem Problem wird hier nicht nachgegangen und doch schwingt es stets mit.
Im Folgenden geht es um die Frage, inwieweit sich Kirche und Theologie zu politischen Fragen äußern sollten. Wenn aktuell von der Krise der Demokratie die Rede ist, so muss Kirche sich als Gemeinschaft der Gläubigen – begleitet von der kritischen Reflexion der Theologie – in der Zivilgesellschaft einbringen und auf diesem Weg an der Deliberation teilnehmen und sich für die Demokratie einsetzen. So lautet die These dieses Beitrags, der sich damit gegen Forderungen nach „politischer Enthaltsamkeit“ ebenso wendet wie gegen neue integralistische Bestrebungen. In der Auseinandersetzung mit zwei zentralen politikwissenschaftlichen Diskussionen wird gezeigt, dass dieser Einsatz für Demokratie ebenso komplex wie wichtig ist.

1. Vorbemerkungen zum Verhältnis von Kirche und Demokratie

Innerhalb der katholischen Kirche erfolgte nach nur langsam abklingendem Antiliberalismus und Antimodernismus  die grundlegende Neubestimmung des Verhältnisses von Kirche und Demokratie durch die Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis Humanae (DH), die nach intensiven Diskussion 1965 als letztes Konzilsdokument verabschiedet wurde.  Im Zentrum steht die Anerkennung der Religionsfreiheit, aber damit verbunden sind weitere zentrale Veränderungen, von denen zwei für die Fragestellung dieses Beitrags besonders wichtig sind. Schon im Untertitel sind das Recht der Person und die bürgerliche Freiheit benannt, denn die Religionsfreiheit ist ein Freiheitsrecht der einzelnen Person und nur nachgeordnet der Religionsgemeinschaft. Die bereits in der Enzyklika Pacem in Terris (1963) begonnene Wende zur Anerkennung von Freiheit und Recht der Person wird in DH endgültig vollzogen. Das Recht der religiösen Freiheit gründet auf der Würde der Person und ist eng mit dem Gewissen verknüpft (DH 2). Durch die Anerkennung und Betonung der Freiheit ändert sich notwendig das Verhältnis zum Staat, der zum Garanten eben dieser Freiheit bzw. Freiheitsordnung wird. „Damit hat das Lehramt seine sakral-religiöse Staatsauffassung definitiv aufgeben und durch die neuzeitliche Vorstellung eines weltanschaulich neutralen Verfassungsstaates ersetzt.“  Der Staat ist damit nicht mehr Hüter einer Wahrheit und hat keinen religiösen Zweck. Es ist die Abkehr von einer „theokratische[n], integralistische[n] und konfessionelle[n] Auffassung der Macht“ . Die Sphären sind unterschieden: Der Staat und seine Institutionen sind nicht für die Ausübung des Glaubens zuständig (die sie gleichwohl zu ermöglichen und zu schützen haben), und die Kirche übt keine staatliche Macht aus. Kirche wird vielmehr Teil der Zivilgesellschaft, ein Akteur unter anderen in der demokratischen Öffentlichkeit. Somit ist mit DH ein positives Verhältnis zur Demokratie grundgelegt, auf dem aufbauend Demokratie zu gestalten und zu verteidigen ist. Denn es bleiben antidemokratische und vor allem antiliberale  Tendenzen, die zum Einfallstor für rechtspopulistisches Denken werden. 
Kirche übt keine staatliche Macht aus. Aber als Teil der Zivilgesellschaft obliegt ihr – und damit allen ihren Mitgliedern – gesellschaftliche Verantwortung. Damit ist eine Pflicht aller Bürger:innen benannt. Diese gesellschaftliche Verantwortung lässt sich zugleich theologisch vielfältig plausibilisieren: etwa über das Motiv der Untrennbarkeit von Gottesliebe und Nächstenliebe, die für die moderne Gesellschaft zu konkretisieren ist und sich unweigerlich als Gerechtigkeitsfrage stellt; oder über die Reich-Gottes-Botschaft, die in der Spannung des „Schon und noch nicht“ verhindert, der Utopie der Realisierung des Reiches Gottes auf Erden zu erliegen, auf deren Grundlage aber Ungerechtigkeiten zu kritisieren sind wie etwa der Beschluss „Unsere Hoffnung“ der Würzburger Synode hervorhebt, der die gesellschaftliche Verantwortung als eine kritische Verantwortung deutet. [...]


Lesen Sie den kompletten Artikel in der Printausgabe.

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