Herzlich willkommen bei ThQ – die theologische Quartalschrift aus Tübingen
Unsere aktuelle Ausgabe 3/2025
zum Themenheft »Das Konzil von Nizäa – ein Rückblick in die Zukunft « mit folgenden ausgewählten Beiträgen:
Editorial
Vladimir Latinovic / Stefan Metz
Was sich vor 1700 Jahren in einer kleinen Stadt östlich des Marmarameers ereignete, steht in diesem Jahr im Mittelpunkt intensiver wissenschaftlicher und theologischer Aufmerksamkeit. Die Fülle an Publikationen und akademischen Veranstaltungen unterstreicht die anhaltende Bedeutung des Konzils von Nizäa, das Kaiser Konstantin im Mai 325 einberief und das als wegweisendes Ereignis in der Kirchen- und Dogmengeschichte gilt. Angesichts dieser umfassenden Rezeption erhebt sich die fundamentale Frage nach der bleibenden Relevanz dieses Konzils: Inwiefern prägt es nicht nur die theologische Tradition, sondern bietet auch hermeneutische Impulse für aktuelle Debatten in einer pluralistischen und säkularisierten Welt? Zahlreiche Jubiläumsveranstaltungen und -veröffentlichungen haben sich dieser Thematik gewidmet, indem sie historische Kontexte mit systematisch-theologischen Reflexionen verknüpften. Vor dem Hintergrund einer bereits kaum überschaubaren Forschungslandschaft mag die Frage berechtigt erscheinen, welchen weiteren Beitrag der vorliegende Band der Theologischen Quartalschrift leisten soll.
Das Konzil von Nizäa 325 und die Entwicklung der christlichen Theologie in der Spätantike
1. Probleme der Überlieferung und der Deutung
Das Konzil von Nizäa im Jahr 325 stellt die theologiegeschichtliche Forschung vor einige Probleme. Das liegt vor allem daran, dass von diesem ersten Ökumenischen Konzil keine Akten erhalten sind. Wir verfügen nur über einige Quellen aus dem Umfeld des Konzils, die alle bei späteren Autoren überliefert sind, nach Eusebius von Caesarea vor allem bei Athanasius von Alexandria, Epiphanius von Salamis und den spätantiken Kirchenhistorikern Sokrates, Sozomenus und Theodoret. Diese Überlieferungslage führt dazu, dass die Deutung dieser Quellen allzu leicht von den Narrativen dieser Autoren geprägt wird. Um diesem Problem zu entgehen, hat die moderne Forschung diese Texte schon seit längerer Zeit aus ihren späteren Rahmungen herausgelöst und gesondert ediert, damit sie unabhängig von ihrer späteren, weitgehend von häresiologischen Kategorien gesteuerten Präsentation in ihrem jeweiligen historischen Kontext in den Blick genommen werden können.
Die Synode von Nicaea im Jahr 325 war in mehrfacher Hinsicht ein außergewöhnliches Ereignis: Es war eine a) erstmals von einem Kaiser, der sich b) erstmals als ein von Gott berufener christlicher Herrscher versteht1, einberufene c) erstmalige „Generalversammlung“ der Bischöfe des Reiches2, die zur Klärung diverser kirchlicher Fragen3 sowie zur Feier des Herrschaftsjubiläums Konstantins4 nach Nicaea anreisten. In diesem Sinn handelt es sich tatsächlich um eine erste ökumenische Synode, die später in christlicher Tradition als erstes ökumenisches Konzil in einer Reihe von weiteren ökumenischen Konzilen rezipiert wurde. Nicaea 325 war also ein wegweisendes Ereignis, das die Institution Synode als Instrument der Machtbalance zwischen Kirche und Kaiser etablieren sollte.5
Gerhard van den Heever (Pretorioa University) schreibt: „Das Konzil von Nizäa – ebenso sein Glaubensbekenntnis, seine Rezeption in der Theologiegeschichte und insbesondere in Afrika – ist zutiefst durchzogen von, ja kodiert in kaiserlicher Ideologie […] Die sogenannte ‚konstantinische Wende‘, deren Ausdruck und bleibendes Symbol das Konzil von Nizäa war, etablierte ein Muster: Von nun an war das Christentum mit dem Imperialen verflochten. Die Regelmäßigkeit, mit der in dieser Zeit Bekenntnissen (oder Auslegungen des Bekenntnisses) Anatheme beigefügt wurden, bezeugt die Anwendung von Klassifikation, Autorisierung, Zwang und bisweilen unverhohlener Gewalt – also die operative Durchsetzung von Macht –, um eine autorisierte Form des Christentums zu institutionalisieren und zu normieren.“