Herzlich willkommen bei ThQ – die theologische Quartalschrift aus Tübingen
Unsere aktuelle Ausgabe 4/2023
zum Themenheft »60 Jahre Zweites Vatikanum: der Auftrag, Theologie immer wieder neu zu denken« mit folgenden ausgewählten Beiträgen:
Editorial
Joseph Grayland / Thomas Jürgasch / Stephan Winter
„Warum wurde danach nicht ‚alles besser‘“?, fragte Domradio Köln vor gut einem Jahr, um dann festzustellen: „60 Jahre danach arbeitet sich die Kirche immer noch am Zweiten Vatikanischen Konzil ab. Manche fordern schon ein drittes“. Und in der Tat wird derzeit etwa im Rahmen verschiedener synodaler Bewegungen versucht, angesichts der immer prekärer werdenden Situation institutionalisierter Formen von Religion strukturierte Diskursräume zu schaffen. Innerhalb dieser Prozesse hat auch die universitäre Theologie eine zentrale und unverzichtbare Aufgabe: Aus ihren unterschiedlichen Fächern heraus und interdisziplinär vernetzt begleitet sie diese komplexen Prozesse kritisch konstruktiv.
Rechenschaft ablegen über die Hoffnung der Christ:innen
Warum Gaudium et Spes auch eine fundamentaltheologische Konstitution ist
1. Erinnerungsgemeinschaft als Erzählgemeinschaft
Die theologische Rezeption der Konstitutionen des Zweiten Vatikanums wird in der Regel mit klaren Zuständigkeiten der jeweiligen theologischen Fachdisziplinen verbunden. So gilt etwa die Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum (DV) häufig immer noch als primärer Bezugspunkt der Fundamentaltheologie, und die Konstitution Gaudium et Spes (GS) wird der Pastoral- und Praktischen Theologie als deren Bezugspunkt zugewiesen. Es hängt aber vom Verständnis des jeweiligen Faches ab, unter welcher Perspektive man die Konzilsdokumente rezipiert, und welche man für die eigene theologische Reflexion als in besonderem Maße theologisch relevant ansieht. Wenn man die Frage nach den Möglichkeitsbedingungen göttlicher Offenbarung und die Rechtfertigung der Überzeugung des Ergangenseins göttlicher Offenbarung in Jesus von Nazareth und deren Vermittlung durch die Kirche ins Zentrum der fundamentaltheologischen Aufgabe der rationalen Glaubensverantwortung stellt, ist es selbstverständlich naheliegend, bei der Rezeption des Zweiten Vatikanums primär auf DV zu rekurrieren.
Dei Verbum: „Alles beim Alten“, „Durchbruch“ oder „fauler Kompromiss“?
Das Offenbarungsverständnis des Zweiten Vatikanums in kanonistischer und dogmatischer Sicht
Das Offenbarungsverständnis des Zweiten Vatikanums in kanonistischer Sicht (Bernhard Sven Anuth)
Der frühere Bonner Fundamentaltheologe, Hans Waldenfels, bei dem ich in den 1990er-Jahren studiert habe, hat schon 1982 geschrieben und uns im Studium entsprechend beigebracht, es sei „ein Gemeinplatz heutiger christlicher Theologie, festzustellen: Die Offenbarung Gottes besteht in der radikalen und totalen Selbstmitteilung Gottes in Jesus Christus“; diese Formel sei „gedeckt durch einen weitreichenden Konsens unter den Theologen der christlichen Kirchen wie auch durch die Offenbarungskonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils.“
Fahimah Ulfat / Asher J. Mattern / Reinhold Boschki
Dialogische Theologie im Anschluss an Nostra Aetate
Ein christlich-muslimisch-jüdischer Austausch
Hinführung
Als muslimische Theologin, jüdischer und katholischer Theologe lehren und forschen wir drei an der Universität Tübingen. Wir verstehen unsere Arbeit als Teil eines „Campus der Theologien“, der hier in Tübingen im Entstehen ist und der christliche, jüdische und muslimische Theologien enger zusammenbringen will. Dies scheint uns das Grundanliegen der Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils Nostra Aetate (NA) zu sein:1 In gegenseitiger Wertschätzung und Hochachtung miteinander im Gespräch zu bleiben; einander verstehen zu versuchen; den anderen in seinem Anderssein zu akzeptieren; auch wenn die eigene Position von der des anderen abweicht, dennoch den Gesprächsfaden immer wieder aufzunehmen; Bereitschaft, voneinander zu lernen und die eigene Position neu zu überdenken; Gemeinsamkeiten zu entdecken und Unterschieden gerecht zu werden oder – wissenschaftlich ausgedrückt – die Hermeneutik der Gemeinschaft und die Hermeneutik der Differenz theologisch zu reflektieren. In dem folgenden, teilweise persönlich gehaltenen Austausch wollen wir Gedanken zu einer dialogischen Theologie im Anschluss an NA zusammentragen. Wie alle Gespräche bleibt auch dieses unvollständig, es ist ein Anfang, will fortgesetzt werden und soll doch zukunftsweisend sein. Theologie in der heutigen Zeit kann nicht mehr monohermeneutisch betrieben werden, wenn Theologie die Horizonte des und der anders Glaubenden in das eigene Theologietreiben aufnehmen will.