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Leseprobe 2
Michael Theobald
Der Gottesdienst der Kirche und das Neue Testament
Erwägungen zu ihrem gegenseitigen Verhältnis

Der Gottesdienst der Kirche schöpft nicht nur in reichem Maß aus der Heiligen Schrift, die er als viva vox evangelii in Lesung, Gesang, Gebet und Ritus ausführlich zu Wort kommen lässt; er besitzt in der Schrift auch seinen theologischen Grund, denn seine Kernvollzüge werden durch sie normiert. So gewiss diese Feststellung mit breitem Einverständnis rechnen darf, eine genauere Bestimmung dessen, was als biblischer, insbesondere neutestamentlicher Grund des christlichen Gottesdienstes gelten kann, gestaltet sich schwierig. Das hängt nicht zuletzt mit der Pluriformität der im Kanon des Neuen Testaments versammelten Schriften zusammen, die teilweise beträchtlich voneinander abweichende Vorstellungen vom Gottesdienst vorauszusetzen scheinen. So wird nicht nur dem Autor des Johannesevangeliums gezieltes Eucharistieschweigen nachgesagt, sondern auch dem des Hebräerbriefs, der »christologische Gründe« hätte, »nicht vom Abendmahl zu handeln«. Er lasse »als christlichen Kult nur noch den Lobpreis der Lippen« (Hebr 13,15) gelten, heißt es, akzeptiere also nur Wort- oder Gebetsgottesdienste als evangeliumsgemäße Formen der Gemeindeversammlung.

Dass die hinter den neutestamentlichen Texten stehende gottesdienstliche Praxis der frühen Gemeinden weder einförmig war noch sich einlinig entwickelte, sondern sich gemäß der Vielfalt der Ortskirchen, die sich erst allmählich vernetzten und stabilisierten, vielgestaltig darstellt, ist Konsens heutiger Forschung. In einer Phase, in der »Kirche « im jüdischen Kulturkreis und über ihn hinaus erst noch »erfunden« werden musste, wurden die Formen des gottesdienstlichen Zusammenseins jeweils vor Ort erprobt, ohne dass dies als ein bewusstes Experimentieren aufzufassen ist: Man griff bereitstehende Formen auf und adaptierte sie den eigenen Bedürfnissen. Für die theologische Ausgangsfrage, wie der Gottesdienst der Kirche durch das Neue Testament begründet und normiert werden könne, ist die Wahrnehmung dieser vorgängigen anfänglichen Pluriformität von größter Bedeutung. Sie führt dahin, die Blickrichtung zunächst umzukehren und zu fragen, wie denn das Neue Testament seinerseits in gottesdienstlicher Wirklichkeit gründet und welche Verstehensmöglichkeiten es für solche vielfältige gottesdienstliche Praxis bereithält.

Diese im eigentlichen Sinne noch historisch-literarische Frage nach dem Gottesdienst im Neuen Testament ist der theologischen nach seiner Begründung und Normierung durch die kanonische Schriftensammlung selbst vorgeordnet. Angesichts der Breite des Themas versteht es sich von selbst, dass im Folgenden zu beidem nur eine Skizze von Problemstellungen geboten werden kann. Den Anfang machen Beobachtungen zum Neuen Testament als gottesdienstlichem Grunddokument der Kirche (unter 1). Es folgen Befunde zur frühchristlichen gottesdienstlichen Praxis, wobei auf die spezifische Quellenproblematik des Neuen Testaments abgehoben wird (unter 2). Schließlich werden (ohne Anspruch auf systematische Vollständigkeit) einige Eckdaten benannt, die für ein Gottesdienstverständnis gemäß neutestamentlichen Zeugnissen richtungweisend sein dürften (unter 3).

1. Das Neue Testament als Liturgie-Reservoir der Kirche

Bevor die Schrift den Gottesdienst theologisch normiert, stellt sie ihm zunächst einmal ein äußerst reiches Reservoir zur Verfügung, aus dem er schöpft und bis heute seine Vitalität bezieht. Zwei Seiten dieses Vorgangs seien benannt:

Neues wie Altes Testament liefern der Kirche ihre genuine Sprachwelt, sie lehren die Kirche sozusagen sprechen: zu Gott und über Gott (1.1). Im Blick auf die Genese des kirchlichen Festkreises wirkte insbesondere das Neue Testament »liturgieproduktiv«: Durch die Zeiten hindurch formte und formt es durch die gottesdienstliche Praxis der Kirche ihr »heilsgeschichtlich«-narratives Gedächtnis (1.2).

1.1 Die Sprachwelt der Bibel als Humus des christlichen Gottesdienstes

Der Gottesdienst ist »ein wichtiges, vielleicht das identitätsstiftende Element im antiken Christentum«, erklärt C. Markschies. Es könne »kein Zweifel bestehen, dass von Anfang an der Gottesdienst nicht nur eine zentrale Stellung im alltäglichen Leben der Christen einnahm, sondern auch die Identität der ganzen Religion stark durch die verschiedenen Formen des Kultus geprägt wurde«. Dabei fiel dem öffentlichen Lesen der Heiligen Schrift immer schon eine zentrale Rolle zu, woran sich bis heute nichts geändert hat. Die Liturgiereform im Gefolge des Zweiten Vatikanischen Konzils hat im Vergleich zur bisherigen römischen Liturgie durch die Auffächerung der Lesejahre einerseits die Präsenz des Alten Testaments erheblich gestärkt, andererseits unter dem Eindruck der neueren redaktionsgeschichtlichen Evangelienexegese die traditionelle Monopolstellung des Matthäusevangeliums zugunsten der übrigen synoptischen Evangelien verabschiedet mit der Konsequenz, dass nun die Pluralität der Jesusbilder aller vier Evangelien im Gottesdienst der Kirche sichtbar wird und offiziell in ihm verankert ist. »Das ganze Evangelium wird zum Stoff für die Christus-Anamnese im Gottesdienst der Gemeinde«. Mit P. Cornehl möchte man ausrufen: »Geschichten über Geschichten! Wer im Sinne Jesu von Gott reden will, muss diese Geschichten erzählen und auf Jesu Worte hören«, was im Gottesdienst geschieht. In ihm konstituiert sich Kirche als »Erzählgemeinschaft«. Zur Christus-Anamnese in den Evangelien treten dann vor allem die Lesungen aus den Apostelbriefen und der Offenbarung des Johannes hinzu.

Auch die Gebetswelt des Gottesdienstes schöpft aus der Heiligen Schrift. Neben dem Psalter, dessen Bedeutung als Gebet- und Gesangbuch der Kirche schlechterdings nicht überschätzt werden kann, seien das jesajanische Trishagion Jes 6,3 (vgl. Offb 4,8) sowie die Cantica aus dem »Alten« und »Neuen Testament« genannt, von diesen vor allem der Gesang der drei jungen Männer im Feuerofen (Dan 3,57ff.) sowie die Lobgesänge Marias, des Zacharias und Simeons aus Lk 1f. (Magnificat, Benedictus und Nunc Dimittis). Beachtlich ist, dass bei der nachkonziliaren Reform der Tagzeitenlitugie – veranlasst durch formkritische Einsichten der jüngeren Exegese – weitere neutestamentliche Texte als Hymnen oder Cantica Aufnahme in das Morgen- und Abendgebet der Kirche fanden.

Die Lesung des Alten Testaments im Gottesdienst der Kirche will eigens bedacht sein. Sie deckt den Boden auf, auf dem die neutestamentlichen Texte errichtet wurden, erkennbar an den (ihnen mittels Anspielungen und Zitaten eingestifteten) Bezügen zur Bibel Israels.

Die Passionserzählungen der Evangelien zum Beispiel schöpfen derart substantiell aus den Psalmen vom leidenden Gerechten und weiteren biblischen Texten, dass man sagen kann: Sie liefern ihnen die Matrix. Diese freizulegen und ins Bewusstsein zu heben, ist dann die Leistung des Psalters im Gottesdienst. Dank der in ihm zur Sprache kommenden »paradigmatischen Leiderfahrung« wächst Jesu Todesleiden der Charakter umfassender Repräsentanz zu, so dass im Gedenken an ihn das Leid vieler Opfer vor Gott getragen wird.

Im Wechsel der gottesdienstlichen Lesungen wird so das innere Verwobensein von Altem und Neuem Testament regelrecht in Szene gesetzt, wobei die Fäden hin und her laufen und auch der unabgegoltene Überschuss des Alten Testaments gegenüber dem Neuen zu Tage tritt.

[...]


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