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Editorial
Hans Reinhard Seeliger
Nachdem das letzte Heft zwei Abschiedsvorlesungen brachte, dokumentiert das vorliegende mit zwei Antrittsvorlesungen den im Gang befindlichen Generationenwechsel an der Tübinger Katholisch-theologischen Fakultät. Es waren zwei Vorlesungen im Bereich der praktischen Theologie, die beide weite Horizonte eröffneten.

Reinhold Boschki, seit dem Sommersemester 2015 Inhaber des religionspädagogischen Lehrstuhls, machte sich in seiner Antrittsvorlesung für eine „Katechese ohne Vereinnahmung“ stark, eine Katechese, in der „das Moment der Kritik, der Distanzierung, der Auseinandersetzung“ (S. 211) integral sei. Erst eine solche Katechese sei in der Lage, die von ihm neu eingeführte „Ambivalenzkompetenz“ zu fördern. Deren Einübung im gesamten Bereich der religiösen Bildung, angefangen von den Kindertagesstätten über die Sakramentenkatechese bis hin zum schulischen Religionsunterricht aller Schulstufen, ist nach seiner Überzeugung die einzige Möglichkeit, angemessen auf die unbezweifelbaren Traditionsbrüche, die Vermittlungskrise, die Entkirchlichung und Entchristlichung der Lebenswelten und Milieus und auf die „fluide und fragmentarische“ Identität des Menschen in der mediendominierten Realität der Gegenwart zu reagieren, indem sie einerseits konsequent die Brüche und Ambivalenzen des Religiösen in seiner gesamten Erscheinungsform in den Blick nimmt und sie andererseits mit den Ambivalenzen der plural geprägten Lebenswelten in Beziehung setzt. Nur so könne eine „Re-Kontextualisierung des Religiösen und des Christlichen in unserer Zeit“ (S. 207) gelingen.

In der Antrittsvorlesung, die der neue Lehrstuhlinhaber für Praktische Theologie, Michael Schüßler, ein Jahr später hielt, wird der Faden, den Boschki mit dem Begriff der „Ambivalenzkompetenz“ zuvor sponn, bei genauer Betrachtung quasi wieder aufgenommen, wenn Schüßler, im Anschluss an Regina Ammicht-Quinn, von der Diagnose einer „mangelnden Ambiguitätstoleranz“ ausgeht (S. 215f.), welche theologisches Denken und pastorales Handeln vielfach kennzeichnen. Sich des Urteils zu enthalten, sich den Ambiguitäten des Lebens auch theologisch bewusst zu stellen, wird von ihm als eine „Orientierungsfigur christlicher Existenz“ und als neu zu erlernende Grundhaltung pastoralen Handelns herausgestellt: Zu gehen sei der Weg „zu einer Theologie der Diversität, zu einer theologischen Wertschätzung von Vielfalt, die sich vom Ausgeschlossenen und Abseitigen und Verqueren her entwirft. Urteilsenthaltung hilft dabei Stereotype kleinzuarbeiten und Menschen als Menschen zu sehen“ (S. 234). Hier wird, so scheint mir, eine Konzeptualisierung der Haltung und Theologie von Papst Franziskus geleistet, die zum Beispiel da aufscheint, wenn er etwa, befragt zur Homosexualität, sagte: „Wenn jemand Gott mit gutem Willen sucht, wer bin ich, dass ich urteile?“

Der dritte Beitrag stellt eine ursprünglich in Tübingen gehaltene Gastvorlesung dar, die wir wegen ihrer Bedeutung aus dem Englischen übersetzen ließen (herzlichen Dank dafür an Christian Henkel vom Lehrstuhl für Dogmatik, Dogmengeschichte und Ökumenische Theologie). Paul M. Murray ist der Überzeugung, dass auf dem Feld der Ökumene eine dritte Phase eingeläutet werden muss. Nachdem in der ersten durch Kontaktaufnahmen Feindseligkeiten und Misstrauen überwunden wurden, kam man in der zweiten Phase der Dialogprozesse und Konsenspapiere bis zum „Hartholz“ (Ämterfrage, Ekklesiologie usw.), das zu bohren noch lange dauern wird. In dieser Phase schlägt er vor, zu einer dritten, die zweite begleitenden überzugehen, in der es um „rezeptives ökumenisches Lernen“ geht. Hier sei „nicht zu fragen, wie sich die anderen ändern müssen, sondern [es seien] die eigenen Schwierigkeiten in den Blick zu nehmen und darin die Notwendigkeit [zu] erkennen, selbst zu lernen und das Beste in Praxis und Selbstverständnis der anderen Traditionen aufzunehmen“ (S. 241). Das setze sehr genaues Kennenlernen der jeweils anderen Traditionen voraus und – darin berührt sich dieser Artikel wiederum mit den beiden Antrittsvorlesungen – das Aushalten der Ambiguitäten und Ambivalenzen im künftigen Chor der Kirchen, der ein „polyphoner“ sein werde. Es brauche dazu aber nicht weitere hochrangige Studien, sondern eher eine Fülle von „kleinen Selbsthilfe-Projekten“, also die Verlagerung des ökumenischen Prozesses quasi vom Kopf auf die Füße.1

Der darauf folgende Beitrag der französischen Spezialistin für mittelalterliche Philosophie und Theologie, Julie Casteigt, derzeit Fellow am Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien der Universität Erfurt, führt in das Gedankengebäude Alberts des Großen (ca. 1200–1 280) und zeigt, dass es im Hochmittelalter durchaus unterschiedliche Konzeptionen von „Individualität“ gab, deren Hintergrund in einer anderen als der aristotelischen Metaphysik und Anthropologie zu suchen ist. Die Erkenntnis des Göttlichen wird dabei nicht primär bzw. allein durch den Intellekt möglich, sondern durch dessen Verbindung mit den Sinnen, der Vorstellungskraft und dem Körper. Das unterscheidet sich von der Konzeption sowohl des Thomas von Aquin wie Meister Eckharts (S. 269) und mutet in gewisser Weise bereits „modern“ an. Das „Kritische Forum“ stammt aus der Feder des Autors dieser Zeilen. Es geht darin um das lang erwartete Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur „Bologna-Reform“ der Studienstrukturen, deren Grundlagen für verfassungswidrig erklärt wurden. Das wird auch Auswirkungen auf das Theologiestudium haben. Erfreulich ist, dass das Heft einmal wieder mit einer etwas umfangreicheren „Literaturumschau“ abgeschlossen werden kann, in der es um Neuerscheinungen aus dem Gebiet der analytischen Religionsphilosophie, der Gotteslehre und zur Ämtertheologie geht.

1 | Die Bemerkung sei gestattet, dass in den Diözesen Rottenburg-Stuttgart und Freiburg ein solcher Prozess „rezeptiven ökumenischen Lernens“ bereits seit 2005 durch die „Konfessionelle Kooperation im Religionsunterricht“ mit Erfolg institutionalisiert ist: vgl. B. Bosold, Gemeinsamkeiten stärken – Unterschieden gerecht werden. Das Modell der konfessionellen Kooperation im Religionsunterricht an allgemeinbildenden Schulen in Baden-Württemberg, in: Una sancta 68 (2013) 234-242.

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