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Editorial
Matthias Möhring-Hesse
Diese Theologische Quartalschrift zum Thema „Barmherzigkeit und Gerechtigkeit“ wurde geplant, bevor Papst Franziskus im März diesen Jahres ein „Heiliges Jahr der Barmherzigkeit“ angekündigt hat. 50 Jahre nach Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils beginnt am 8. Dezember 2015, am „Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria“, mit der Öffnung der Heiligen Pforte im Petersdom ein außerordentliches „Heiliges Jahr“ zur Barmherzigkeit. Den AutorInnen dieses Themenheftes kam der Papst mit seiner Verkündigungsbulle Misericordiae Vultus (dt.: „Das Antlitz der Barmherzigkeit“) zuvor. Wer zuerst kommt, der mahlt zuerst, heißt es. In diesem Sinne soll mit der päpstlichen Bulle in das Thema dieser Quartalschrift eingeführt werden.

In dem angekündigten „Heiligen Jahr“ soll es laut der Bulle um die außerordentliche Barmherzigkeit gehen, mit der Gott jedem Menschen entgegentritt und so jede und jeden zu eben dieser Barmherzigkeit ermächtigt. „Barmherzigkeit ist der Weg, der Gott und Mensch vereinigt“ (Nr. 2). „Wir sind […] gerufen, Barmherzigkeit zu üben, weil uns selbst bereits Barmherzigkeit erwiesen wurde“ (Nr. 9) Papst Franziskus sieht insbesondere die Kirche gefordert. „Öffnen wir“, so schreibt er, „unsere Augen, um das Elend dieser Welt zu sehen, die Wunden so vieler Brüder und Schwestern, die ihrer Würde beraubt sind. Fühlen wir uns herausgefordert, ihren Hilfeschrei zu hören“ (Nr. 15). Man wird bei diesen Worten von diesem Papst etwa an die Flüchtlinge denken, die den gefährlichen Weg über das Mittelmeer wagen, dort zu Tausenden umkommen – und selbst dann, wenn sie das rettende Ufer des europäischen Kontinents erreichen, auf die geschlossenen Grenzen Europas stoßen.

Doch legt der Papst den Fokus der Barmherzigkeit anders, nämlich auf die Vergebung, die als der wesentliche Ausdruck von Barmherzigkeit erscheint. „Für die Kirche ist erneut die Zeit gekommen, sich der freudigen Verkündigung der Vergebung zu widmen“ (Nr. 10). An dieser Stelle werden auch Christinnen und Christen misstrauisch: Wird damit die Barmherzigkeit zum Vorrecht derer, die im Recht sind, sich zumindest im Recht wähnen? Und: Gilt Barmherzigkeit immer schon denen, die im Unrecht sind – und keinerlei Ansprüche mehr gegenüber anderen haben? Mit diesen und ähnlich misstrauischen Fragen ist das Thema „Barmherzigkeit und Gerechtigkeit“ angesprochen.

Das Verhältnis von Barmherzigkeit und Gerechtigkeit traktiert auch Papst Franziskus in seiner Bulle. Dabei bestätigt er die gemeine theologische Vorstellung, dass die erste als Ausdruck des göttlichen und menschlichen Erbarmens gegenüber der zweiten als Vollzug von Gechuldetem sowohl bei Gott als auch bei den Menschen Vorrang hat. Er schreibt: „Wenn Gott bei der Gerechtigkeit stehen bliebe, dann wäre er nicht mehr Gott, sondern vielmehr wie die Menschen, die die Beachtung des Gesetzes einfordern. Die Gerechtigkeit alleine genügt nicht und die Erfahrung lehrt uns, dass wer nur an sie appelliert, Gefahr läuft, sie sogar zu zerstören. Darum überbietet Gott die Gerechtigkeit mit der Barmherzigkeit und der Vergebung“ (Nr. 21). Sogleich wird angefügt, dass damit Gerechtigkeit nicht abgewertet werden soll. „Ganz im Gegenteil. Wer einen Fehler begeht, muss die Strafe verbüßen. Aber dies ist nicht der Endpunkt, sondern der Anfang der Bekehrung, in der man dann die Zärtlichkeit der Vergebung erfährt“ (ebd.). Offenbar wird mit diesen Sätzen, dass in der theologischen Heiligung der Barmherzigkeit eine üble, nämlich einseitig richtende und vor allem strafende Vorstellung von Gerechtigkeit unterstellt wird.

In den sozialen Kämpfen der letzten zwei Jahrhunderte hat sich zumindest außerhalb von Kirche und Theologie eine andere Gerechtigkeitsvorstellung durchgesetzt: Als gerecht gilt die Ordnung sozialer Verhältnisse – und zwar dann und in dem Maße, wie sie gegenüber allen davon Betroffen gerechtfertigt werden kann. Dann und in dem Maße, wie Strukturen und Institutionen, wie Ämter und Positionen, wie soziale Rechte und Pflichten gerechtfertigt werden können, haben die davon Betroffenen einen Anspruch auf entsprechend geordnete soziale Verhältnisse. Die gerechte Ordnung fordern sie in den sozialen Kämpfen ein – und widersetzen sich damit dem „Elend dieser Welt“, ob sie davon selbst betroffen sind oder ob sie sich dabei in Solidarität mit den Betroffenen engagieren. Gegenüber dieser Gerechtigkeit steht die theologisch gewürdigte Barmherzigkeit eher erbärmlich dar. Was dort gefordert werden kann, wird hier geschenkt, was dort in sozialen Kämpfen eingeklagt, politisch vertreten und an die Gestaltung von sozialen Ordnungen adressiert wird, wird hier den „Herzen“ der Menschen und ihren entsprechend beherzten „Werken“ überantwortet. [...]


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