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Leseprobe 1
Bernd Jochen Hilberath
Eine ökumenische Aufgabe und eine katholische Herausforderung: Synodalität
Ein erstes Hinblicken auf die ökumenische Landschaft vermittelt den Eindruck, der als „typisch“ erwartet wird: Während sich (römisch-) katholische Theologinnen und Theologen am Thema „Synode/Synodalität“ abarbeiten und entsprechende Forderungen formulieren, findet sich in Veröffentlichungen evangelischer Autorinnen und Autoren bis auf Ausnahmen nicht einmal ein entsprechendes Stichwort. Vorläufige, wenn auch nicht voreilige Schlussfolgerung: In Kirchen, für deren Leben und Verfassung das synodale Element nicht nur wesentlich ist, sondern auch in der Kirchenordnung verwirklicht wird, gibt es keinen Diskussionsbedarf in Sachen Synodalität. Dagegen fordert die mangelhafte Umsetzung der „acta synodalia“ des Zweiten Vatikanischen Konzils immer wieder zu neuen Anläufen heraus, zumal dann, wenn sich wissenschaftliche Theologie auch den Wahrnehmungen und Erfahrungen des Volkes Gottes verpflichtet weiß. Dass ein näheres Hinschauen den Befund differenziert, verwundert nicht. Im Folgenden geht es nicht um einen möglichst vollständigen Literaturbericht. Vielmehr lenke ich die Aufmerksamkeit auf Aspekte, die für die theologische Begründung der anstehenden, eben auch strukturellen Erneuerung der Kirche relevant sein können. Aus der relativ überschaubaren Literatur greife ich Beiträge und Texte heraus, die als exemplarisch gelten können und das weitere Nachdenken fördern. Zunächst präsentiere ich Positionen lutherischer (1), reformierter (2) und orthodoxer (3) Theologie, danach einschlägige ökumenische Dokumente (4), bevor ich im 5. Abschnitt aus meiner Sicht kommentiere und nach Konsequenzen frage.

1. Zur lutherischen Position (exemplarisch: Walter Dietz)

Auf dem an der Universität Eichstätt-Ingolstadt veranstalteten Symposion zu „Autorität und Synodalität“ erläuterte der Mainzer Systematische Theologe Walter Dietz „Synodalität nach evangelischem Verständnis“. Wie auch sein reformierter Kollege Ulrich Körtner (s. den folgenden Abschnitt) argumentiert der lutherische Theologe stets mit einem Seitenblick auf die römisch-katholische Position. Beide können sich durch manche Praxis in ihrer Einschätzung bestätigt fühlen; gelegentlich ist ihr theologisches Vor-Urteil jedoch zu korrigieren, wie ich noch zeigen werde.

Katholische Leserinnen und Leser wird die Feststellung überraschen, dass die Reformation keine „Öffnung für das synodale Prinzip“ bedeutete, wo sie doch das Allgemeine Priestertum aller Gläubigen so nachdrücklich heraushebt. Aber gerade um dessentwillen „bleibt der synodale Gedanke im Luthertum ein Blindgänger“, wird er eher „als Gefahr denn als Chance“ angesehen, denn: Die „klassische“ Synode war die „Amtsträgersynode“, die protestantischerseits sowohl „als Instrument zur Wahrheitsfindung, aber auch zur Festigung kirchlicher Machtinteressen dienen [konnte]“ und in jedem Fall „ein Gegengewicht zur papalen Monarchie“ bildete. Nach Dietz handelt es sich um eine paradoxe Situation, war doch „die Idee des Allgemeinen Priestertums … nicht nur ein Gedankenprojekt, sondern durchaus auf Umsetzung hin angelegt“.

Dass sich dies erst im Zuge der politischen Entwicklung des 19. Jahrhunderts realisieren ließ, lässt Katholiken erneut aufhorchen und nach dem Verhältnis von „Geist und Strukturen“ fragen: Sind die Betonung des gemeinsamen Priestertums (vgl. LG 10) und der Ruf nach stärkerer Mitverantwortung der „Laien“ nur Anpassungen an den Zeitgeist? Mit Wilfried Härle und Wolfgang Huber plädiert Dietz für eine differenzierende Einschätzung: Theologische Begründung und gesellschaftlich-politischer Kontext können „in einem konstruktiven Verhältnis zueinander stehen“, entscheidend ist die ekklesiologische Grundlegung. Bis ins 19. Jahrhundert freilich hatte im Luthertum der Pfarrer (quasi als Bischof) das Kirchenregiment inne: „Synoden mit Laienelement konnte daher verständlicherweise nur beratende Funktion zukommen.“ Die Desavouierung des Bischofsamtes in der NS-Zeit machte es notwendig, „eine Kirchenverfassung zu etablieren, die sich nicht nur vom monarchischen Episkopat abwandte, sondern zugleich ein synodales Kirchenregiment hervorbrachte“. Nach Dietz erwiesen sich die Synoden allerdings nichts als „zeitgeistresistent“, sondern gerieten „besonders im Gefolge der ‚68er‘-Revolution“ unter „ideologischen Druck“. Dabei befassten sich Synoden auch mit Lehrfragen, so dass nun das Lehramt nicht länger an das Pfarrerund Bischofsamt gebunden war. Andererseits verschärfte sich das Problem, dass Wahrheitsfragen nicht durch Mehrheitsentscheidungen geklärt werden können. Das theologisch zu begründende synodale Prinzip ist und bleibt ein Ideal, hinter das aber auch nicht zurückgegangen werden kann. Das kann an dieser Stelle unmittelbar auch der römisch-katholischen Kirche ins Stammbuch geschrieben werden: „Das Zerbrechen einer am Paradigma politischer Herrschaft orientierten Kirchenregentschaft konnte für den Protestantismus eigentlich nur heilsam und lehrreich sein.“

Sollte sich nicht die katholische Kirche, zumindest in Deutschland, auf katholische Weise zu eigen machen, was als Chance nach 1945 auf den Protestantismus zukam: „das Bischofsamt neu zu gestalten, es in seiner Verantwortung zu entlasten (freilich nicht ganz zu entmachten!), und zwar durch die Stärkung synodaler Verantwortung“, in die auch die Laien einbezogen werden? Diese Neuausrichtung findet ihre theologische Begründung in der weiterentwickelten Idee des Allgemeinen Priestertums, die nun „nicht nur Dienst und Hingabe (im diakonischen und seelsorgerlichen Bereich), sondern auch Mitbestimmung und Mitgestaltung [impliziert]“. Muss römisch-katholische Lehre ablehnen, was sich protestantischerseits angesichts der Zeichen der Zeit seit der Französischen Revolution im Verständnis und in der Praxis der Synode entwickelt hat? Nämlich: „Synode war ursprünglich Bezeichnung eines Leitungs- und Entscheidungs-gremiums, das ausschließlich aus Geistlichen bestand. Nun aber sollten die Laien ein prägendes und entscheidendes Mitspracherecht gewinnen.“

Dietz’ abschließende „Fünf Thesen zur Synodalität im Kontext einer evangelischen Ekklesiologie“ sind auch im Kontext einer (römisch-)katholischen Ekklesiologie formulierbar:

- „Kirche als primär gottesdienstliche communio bzw. congregatio sanctorum im Miteinander und im spezifischen Gegenüber von Allgemeinem Priestertum und ordinationsgebundenem Amt“ – Gemäß der Liturgiekonstitution SC 10: „ist die Liturgie der Höhepunkt, dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt“.

- „Amt (ministerium) und Allgemeines Priestertum (sacerdotium)“ als „unableitbare Stiftungen Christi“ und als aufeinander angewiesene „personale Grundstrukturen von Kirche“ – nach LG 10 sind das „gemeinsame Priestertum“ (sacerdotium commune) und das Priestertum des Dienstes bzw. das hierarchische Priestertum (sacerdotium ministeriale seu hierarchicum) „einander zugeordnet; das eine wie das andere nämlich nimmt auf seine besondere Weise am Priestertum Jesu Christi teil.“

- „Die Kirchenleitung liegt somit nicht exklusiv am ordinationsgebundenen Amt.“ – Römisch-katholisches Kirchenrecht hat zwischen den verschiedenen Leitungsaufgaben und der Beteiligung daran zu differenzieren.

- „Die Stärkung synodaler Verantwortung muss dabei keineswegs mit der Ausweitung fundamentaler Kompetenz seitens der Synoden einhergehen.“ Römisch-katholischerseits freilich wäre die Kompetenz erst einmal „zuzugestehen“, ekklesiologisch präziser: als selbstverständlich einzurichten.

- Synoden und Bischöfe sollten „in ihrer Verantwortung vor Gott … auch den Konflikt miteinander [!] nicht scheuen, jedoch – analog zur bischöflichen potestas – primär an der Wahrung und Herstellung kirchlicher Einheit (nach innen und ökumenisch nach außen) interessiert sein. Die Unverfügbarkeit eines letztverbindlichen Autoritätsinhabers innerhalb ihres Gremiums führt zum Bewusstsein der Vorläufigkeit all ihrer Beschlussfassung.“

2. Zur reformierten Position (exemplarisch: Ulrich H. J. Körtner)

Im Unterschied zur lutherischen Kirchenverfassung kennt die reformierte von Anfang an eine „presbyteral-synodale Grundordnung“, aus der auch Lehrfragen nicht ausgeschlossen sind, wie Ulrich Körtner in seinem Beitrag zum Ökumenischen Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen erläutert. Auch von daher erklärt sich, dass der reformierte Theologe zugespitzt kritisch gegen die römisch-katholische Position (so wie er sie wahrnimmt!) und die „Konsensökumene“ argumentiert. Das Zueinander des synodalen und des episkopalen Elements wird in den Grundordnungen unterschiedlich ausgestaltet. Dabei betont Körtner, dass „die Episkopé im grundlegenden Sinn des Wortes … sowohl dem synodalen also auch dem episkopalen Element im engeren Sinn obliegt“. Direkt im Blick auf das ökumenische Gespräch stellt der reformierte Kollege heraus:

- Auch die Ordination durch bereits Ordinierte wie die Installation bleiben „rückgebunden an Presbyterien und Synoden, d. h. an die Gesamtheit aller getauften evangelischen Christen ohne Unterschied zwischen Ordinierten und Nichtordinierten“. Dadurch unterscheidet sich diese Kirchenverfassung „fundamental von [den Verfassungen], in denen es einen sich selbst rekrutierenden Klerus gibt, der auf Grund eines Weihesakraments von den übrigen Gläubigen essentiell unterschieden ist“.

- „Männer und Frauen sind kraft der Taufe in gleicher Weise nicht nur zur Teilhabe am synodalen, sondern auch episkopalen Element der Kirchenleitung befähigt. Nicht nur das Predigt- oder Pfarramt, sondern auch jede Form des Bischofsamtes steht Frauen und Männern in gleicher Weise offen …“

Wie Dietz betrachtet auch Körtner die theologische Begründung der Synodalität im Priestertum aller Gläubigen als „Ergebnis einer produktiven Weiterentwicklung reformatorischer Grundimpulse“. Sie ist „biblisch-theologisch sachgemäßer aus der paulinischen Charismenlehre zu entwickeln“ und auch evangelischerseits noch weiter zu klären. Auch wenn das ordinierte Amt „seinem Wesen nach Dienst der Verkündigung ist … und … zum Sein der Kirche gehört“, so ist doch der Dienst der Verkündigung allen aufgetragen; er gründet „unmittelbar im Willen Gottes“, ist also auch nicht aus dem allgemeinen Priestertum ableitbar.

Daraus ergibt sich jedenfalls im Blick auf unser Thema im engeren Sinn, dass „analog … im Sinne des evangelischen Verständnisses vom Priestertum aller Gläubigen die Gemeindeversammlung zum Zweck der Beratung und Entscheidung als Grundform des synodalen Elements in der presbyteral-synodal geordneten Kirche verstanden werden [kann]“.

Auch Körtner legt bei aller „Affinität zum modernen demokratischen Prinzip“ Wert auf die Unterscheidung. Römisch-katholische Ohren werden mit besonderer Aufmerksamkeit vernehmen, dass „die Verfassungen [auch – B. J. H.] – der evangelischen Kirchen … nicht das Produkt einer autonomen verfassungsgebenden Gewalt auf der Basis des Prinzips der Volkssouveränität [sind], sondern … aus dem stiftungsgemäßen Auftrag der Kirche abgeleitet [werden], der auf Christus selbst zurückgeführt wird“. Grundlegend ist also die Episkopé Aufgabe aller Getauften. Daraus folgt: „Sofern Ordinierten … in besonderer Weise ein Amt der Kirchenleitung bzw. der geistlichen Aufsicht übertragen wird, muss man von einer synodalen Episkopé sprechen.“ Konkreten Ausdruck findet dies in der Wahl durch die aus Ordinierten und Nichtordinierten bestehende Synode; alle Ämter (bei Calvin vier, in der reformierten Lehre sind es drei) sind als „Ausdifferenzierung des einen, im Amt Jesu Christi gründenden Amtes [zu verstehen], zu dem die Getauften in ihrer Gesamtheit berufen und befähigt sind“. Die Veränderung in der theologischen Begründung seit dem 19. Jahrhundert ist uns schon bei Dietz begegnet. Körtner ergänzt durch die reformierte Sicht, wonach Calvins ursprüngliche christologische Begründung „im Kampf gegen das landesherrliche Kirchenregiment durch die Idee des modernen Konstitutionalismus ersetzt [wurde], wodurch nun auch „die für Luther, nicht aber für Calvin zentrale Idee des Priestertums aller Gläubigen theologisch mit dem ursprünglich reformierten Modell der presbyteral-synodalen Ordnung der Kirche verbunden und auch in den lutherischen Kirchen rezipiert werden [konnte]“.

Dass es auf dieser theologischen Basis verschiedene Ausgestaltungen geben kann, ist in ökumenischer Hinsicht auch für die „noch hierarchisch verfassten“ Kirchen von Interesse. Körtner unterscheidet zwischen „episkopalbehördlichen, vereinigenden, nämlich einerseits kombinatorischen und andererseits senatorischen …, synodal-gemischten … und rein synodalen Kirchenleitungen“. Im Folgenden grenzt sich Körtner scharf gegen die römisch-katholische bischöflich-päpstliche Verfassung und deren Präsenz in ökumenischen Dokumenten ab: „Man mag es drehen und wenden wie man will: Mit der Übernahme des hierarchisch gegliederten dreifachen Amtes und der bischöflichen Sukzession würde die evangelische Kirche die Behauptung eines Defekts akzeptieren, der letztlich das geistliche Recht der Reformation in Abrede stellte.“ Katholische Theologie und Lehre und nicht zuletzt eine rechtlich geregelte Praxis haben zu erläutern, inwiefern Synodalität auch ein Grundprinzip katholischer Ekklesiologie sein kann.

3. Zur orthodoxen Position (exemplarisch: Konstantin Nikolakopoulos, Athanasios Vletsis)

Auf Grund ihrer strengen Orientierung an den (Kirchen-)Vätern und der altkirchlichen (Communio-)Ekklesiologie ist „Synodalität“ ein Schlüsselbegriff orthodoxer Theologie. Nach Nikolapoulos bezeichnet der Begriff „das wesentliche Prinzip der Gemeinschaft“ und ist als solcher kein Spezifikum nur einer Konfession. In ökumenischer Hinsicht ist es bemerkenswert, dass sich der orthodoxe Theologe nicht mit Verweisen auf die maßgeblichen Väter begnügt, sondern den „neutestamentliche[n] Spuren synodaler Struktur“ nachgeht und dann ausführlich die These vom „Apostelkonzil (Apg 15) als Höhepunkt urkirchlicher Synodalität“ verteidigt. Nikolakopoulos kennt die Zurückhaltung westlicher Theologen gegenüber der Bezeichnung „Apostelkonzil“ und argumentiert entsprechend differenziert: Das sogenannte Apostelkonzil ist keineswegs „der Anfangsgrund einer institutionalisierten Synodalität“, die „späteren regulären Synoden [sind] keine unveränderte Wiederholung des Apostelkonzils“. Dabei führt er eine wichtige Unterscheidung ein zwischen den Konzilien als „reine[n] ‚ad hoc‘-Ereignisse[n]“ und der Synodalität „als Reaktionsfähigkeit des kirchlichen Leibes“, als „wichtiges Prinzip, das unserer lukanischen Perikope zufolge schon in der frühen Kirche seinen Platz hatte“. Zwei weitere Feststellungen Nikolakopoulos’ verdienen ökumenische Beachtung: 1. Die Versammlung der Gläubigen als „Zusammenkommen“ ist wesentlich vom Gottesdienst, primär von der Eucharistie her zu verstehen. 2. „Bei der Versammlung [nicht nur in der Eucharistie, sondern auch beim ‚Konzil‘] ist die Kirche als Ganze anwesend“, in Apg 15 die ganze Gemeinde am Ort. Gegenüber den ‚Papstdogmen‘ des Ersten Vatikanischen Konzil akzentuiert die orthodoxe Theologie die Stellung des Konzils als oberster Instanz. Aber auch „in den neueren orthodoxen Ekklesiologie-Darstellungen“ werden grundsätzliche Fragen erörtert, allen voran die, ob die synodale Autorität „ex sese oder ex consensu ecclesiae“ gilt. Während also allgemein das Konzil als „letzte Instanz im Leben der Kirche“ angesehen wird, scheiden sich an der Frage der Geltung die Geister. Hier kommt nun eine für die Ökumene insgesamt, insbesondere aber für römisch-katholische Ekklesiologie und Ekklesiopraxis ebenso prinzipielle wie aktuelle Frage ins Spiel: Welche Rolle kommt der Rezeption durch das Volk Gottes zu? Im Anschluss an Nikos Matsoukas unterscheidet Vletsis drei Phasen des konziliaren Prozesses: 1. Annahme der lebensbedrohenden Herausforderung durch Einberufung der Synode. 2. Abfassung der Beschlüsse „immer in treuer Nachfolge der hl. Väter, d. h. in Übereinstimmung mit dem gesamten Leben des kirchlichen Leibes“. 3. Sollen „die Beschlüsse vom Leib geprüft und gelebt werden. Es geht dabei nicht um eine formelle Prüfung, sondern um die Bestätigung der Beschlüsse im Leben der Kirche, im Sinne des Inkrafttretens dieser Beschlüsse“. Wird schon bei der Beschlussfassung „das gesamte Leben des kirchlichen Leibes“ berücksichtigt, dürfte das Inkrafttreten kein Problem darstellen. So sollten ja auch dem I. Vaticanum zufolge päpstliche „unfehlbare“ Entscheidungen zustandekommen. Aber diese Selbstverständlichkeit ist nicht selbstverständlich. Vletsis verweist auf die „Räubersynode“ von 449 und auf die Synode [der orthodoxe Theologe spricht nicht von einem ökumenischen Konzil] von Ferrara-Florenz 1438/39, um seine These zu belegen, dass „die Erfahrung des Lebens der Kirche … die an sich (nach äußeren, formellen Kriterien) korrekt einberufenen ökumenischen Synoden widerrufen und annullieren [kann]“! Damit tut sich mindestens eine neue Schwierigkeit auf, die sofort benannt wird, wenn wieder einmal der Ruf nach einer Synode ertönt: Wie soll die Rezeption konkret gefasst werden? In welchem Verhältnis stehen formale Autorität und Wahrheit? Könnte nicht weiterhelfen, was Vletsis aus historischer Perspektive differenzierend zur Formel „den heiligen Vätern folgend“ festhalten will? Die Väter sind keineswegs nur und in erster Linie die führenden Bischöfe und Theologen, sondern „die heiligen Väter (und Mütter), die durch Wort und Tat ein authentisches Zeugnis des Glaubens hinterlassen haben und immer wieder neu setzen. Die Synode rezipiert eigentlich diese vorhandene Lehre, und klärend und interpretierend wählt sie auch die Begriffe, die dann einen bleibenden Wert für ihr Leben haben sollen.“

Notieren wir: Es gibt nicht nur einen nachträglichen Rezeptionsprozess, sondern einen solchen durch die Synode selbst! Das setzt Vertrauen in die Glaubenserfahrungen des Volkes Gottes voraus. Vletsis fordert die orthodoxe Kirche auf, „ihren vielfältigen Organen etwas mehr zu[zu]trauen“, denn „das Leben der Kirche wird nicht nur in doxlogischen Begriffen erfasst, sondern auch in kognitiven, vernunftmäßigen, die auch kommuniziert werden wollen und sollen“. Der orthodoxe Kollege spricht von der „Wahrheit als Communio“ bzw. von der „kommunikativen Wahrheit“, was ich als einer der Initiatoren und Moderatoren der Kommunikativen Theologie mit besonderer Aufmerksamkeit aufnehme.

Können die Jahre des Dialogs eine Einübung in diese Art der Glaubenskommunikation werden? Dabei ließe sich auch lernen von der Rechtsstruktur der mit Rom unierten Kirchen, wie sie in deren eigenem „Rechtsbuch der Orientalischen Kirchen“ (CCEO) festgeschrieben ist. Demnach gibt es in der Kirche zwei Subjekte de iure divino: das Vorsteheramt und die Gemeinschaft. Mit Hünermann und Gerosa hält Weiß gegenüber Aymans (einer der Hauptvertreter des Konzepts der „communio hierarchica“) fest, dass die Synodalität zum Wesen der Kirche gehört, ja sie ist „eine unaufgebbare ontologische [!] Dimension des kirchlichen Lebens“. Ohne den Begriff „ontologisch“ an dieser Stelle zu diskutieren, sei doch daran erinnert, dass die vatikanische Ekklesiologie keine „ontologische Gleichberechtigung“ von Ortskirche und Universalkirche kennt und noch weniger eine hinreichende theologische Würdigung der Gemeinschaft, die ja nur eine communio ist, wenn sie (und weil sie?) in communio mit dem Papst steht. Im CCEO kommt die synodale Struktur des Leitungsdienstes viel stärker zum Ausdruck, Synoden sind „Organe der ordentlichen Kirchenleitung“, wenn auch hinsichtlich des Teilnehmerkreises „eine episkopale Verkürzung“ festzustellen ist. Im Blick auf die römisch-katholische Kirche und die Rezeption des Konzils im CIC stellt Weiß fest: „Erst wenn Bischofssynode, Partikularkonzil, Bischofskonferenz oder Diözesansynode nicht mehr nur beratende Gremien sind, sondern ‚Einrichtungen mit entscheidendem Charakter‘ [Lederhilger], könnte man ihre Äußerungen als die eines personal und synodal zugleich verfassten Leitungsorgans betrachten. Im derzeitigen Kleid ist die Bezeichnung ‚Synode‘ für Beratungs- und Beschlussorgane der lateinischen Kirche nicht nur irreführend, sondern ‚geradezu ein Etikettenschwindel‘ [Walf].“ Auch in den orientalischen Kirchen könnte die Mitverantwortung aller Gläubigen stärker verankert werden, als es die Tradition kennt.

4. Beobachtungen an ökumenischen Dokumenten

Erst im 2003 erschienenen dritten Band der „Dokumente wachsender Überein stimmung“ findet sich im Sachregister das Stichwort „Synodalität“. In den beiden ersten Bänden entspricht dem der Eintrag „Strukturen/Institutionen“. Hier begegnet generell die Feststellung, dass kirchliche Strukturen schon immer einem Wandel unterlagen und es einen Freiraum der institutionellen Ausgestaltung gibt. In dem ersten Dokument des reformiert/römisch-katholischen Dialogs „Die Gegenwart Christi in Kirche und Welt“ wird festgehalten, dass Strukturen grundsätzlich wichtig sind, dass sie in der römisch-katholischen Kirche hierarchisch, in den reformierten Kirchen presbyteral-synodal ausgeprägt wurden und dass beide Seiten heute auf die Gestalt der frühen Kirche zurückschauen. Im zweiten Band finden wir mehrere Einträge, von denen ich die in unserem Zusammenhang einschlägigen kurz aufgreife. Der Bericht aus der zweiten Phase (1984–1990) des reformiert/römisch-katholischen Dialogs „Auf dem Weg zu einem gemeinsamen Verständnis von Kirche“ hält als gemeinsame Auffassung fest, dass „die Struktur des Amtes wesentlich kollegial“ und die episkopé für die Kirche notwendig ist. Die Positionen gehen bei der Frage auseinander, „wer als episkopos auf diesen verschiedenen Ebenen anzusehen ist und worin die Funktion oder Rolle des episkopos besteht“. Die Reformierten „betonen die kollegiale Ausübung der episkopé“ auf allen Ebenen, also nicht nur auf der Ebene der bischöflichen Kollegialität. Ihre eigene, im 16. Jahrhundert gefundene Form der Kirchenordnung halten sie für durch „die Schrift und die Praxis der Alten Kirche“ gestützt und zugleich für „den Bedürfnissen einer neuen Situation angepasst“.

Im Bericht zu dem Dialog mit den Baptisten „Aufforderung zum Christuszeugnis in der heutigen Welt“ (1984–1988) wird als noch aufzuarbeitender Unterschied u. a. „die Gestalt der Koinonia“ genannt. Während für Baptisten „die Koinonia vornehmlich in den Ortsgemeinden zum Ausdruck [kommt]“, sei „für römische Katholiken … die Koinonia, die der Geist in der Ortskirche wirkt, zugleich eine Koinonia mit anderen Ortskirchen in der einen Universalkirche“. Deshalb „[wäre] für künftige ökumenische Fortschritte … die weitere Diskussion über das Verhältnis von Geist und Strukturen entscheidend“.

Nicht nur für den Dialog mit den Baptisten, sondern in erster Linie innerhalb unserer eigenen Kirche steht genau dies – nach wie vor bzw. nach dem jüngsten Papstbesuch mit erhöhter Dringlichkeit – auf der Tagesordnung! Ebenso binnenkirchlich wie im ökumenischen Gespräch sind Klarstellung hinsichtlich der Ekklesiologie des Zweiten Vaticanums, besonders hinsichtlich des Verhältnisses von Hierarchie und Communio notwendig (s. u. 5.).

Wenn im dritten Band das Stichwort „Strukturen/Institutionen“ durch „Synodalität“ ersetzt (?) wird, ist zumindest markiert, worauf sich der ökumenische Dialog hinsichtlich der Gestalt von Kirche konzentriert. Allerdings findet sich in diesem Band nur ein einziger einschlägig relevanter Text. Es handelt sich um das bereits 15. Dokument aus dem Anglikanisch/Römisch-katholischen Dialog und dem dritten zum Thema Autorität unter dem Titel „Die Gabe der Autorität“. Diese „Gemeinsame Erklärung“ vom 3. September 1998 enthält einen eigenen Abschnitt (Nr. 34–40) „Synodalität: Die Ausübung von Autorität in Gemeinschaft“. Einleitend heißt es grundsätzlich: „Der Terminus Synodalität (abgeleitet von syn-hodos, was ‚gemeinsamer Weg‘ bedeutet) zeigt die Art und Weise, in der die Gläubigen und die Kirchen in Gemeinschaft miteinander gehalten werden, wenn sie den Weg gemeinsam gehen.“ Schon in einem früheren Dokument hatte die Kommission die Autorität bischöflicher Entscheidungen, welche „die Gläubigen verpflichtet sind anzunehmen und anzuerkennen“, herausgestellt, um jetzt zu ergänzen: „Durch ihren sensus fidei können die Gläubigen sowohl das Wirken Gottes in der Ausübung der bischöflichen Autorität im Gewissen erkennen, als auch als Gläubige darauf antworten … ein freiheitlicher und kein sklavischer Gehorsam… Innerhalb des funktionierenden sensus fidelium besteht eine sich ergänzende Beziehung zwischen dem Bischof und der übrigen Gemeinschaft.“ Es sind die Bischöfe, die „sowohl persönlich als auch im Kollegium im Dienste der Gemeinschaft [stehen] und … Sorge für die Synodalität in all ihren Ausdrucksformen [tragen]“, zu denen „in erster Linie Synoden bzw. Räte auf lokaler, provinzieller, internationaler und ökumenischer Ebene“. Das Dokument verschweigt nicht, dass das gemeinsam geteilte Verständnis von Synodalität „in unterschiedlicher Weise zum Ausdruck“ kommt. Auch in der Anglikanischen Gemeinschaft wurden seit dem 19. Jahrhundert die Laien „stärker am Entscheidungsprozess beteiligt“. Die römisch-katholische Kirche wird recht positiv dargestellt, wenn es heißt, in ihr gebe es „eine ununterbrochene Tradition der Synodalität“.

Aber dann werden doch auch „offene Fragen für Katholiken“ formuliert: „Sind jedoch der Klerus und die Laien bei der Bildung synodaler Gremien auf allen Ebenen wirksam beteiligt? Ist die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Kollegialität der Bischöfe ausreichend umgesetzt worden? Kommt im Handeln der Bischöfe zum Ausdruck, dass sie sich der durch ihre Weihe empfangenen Autorität zur Leitung der Ortskirche hinreichend bewusst sind? Wurden genug Vorkehrungen getroffen, um zu gewährleisten, dass zwischen dem Bischof von Rom und den Ortskirchen vor wichtigen Entscheidungen, die eine Ortskirche oder die gesamte Kirche betreffen, Rücksprachen stattfinden? Inwieweit wird bei solchen Entscheidungen die Verschiedenheit theologischen Denkens berücksichtigt? Die Strukturen und Verfahrensweisen der Römischen Kurie unterstützen den Bischof von Rom bei seiner Förderung der Gemeinschaft unter den Kirchen, doch wird dabei auch die Ausübung der episkopé auf anderen Ebenen gebührend respektiert? Vor allem, wie wird die Römisch-Katholische Kirche die Frage des universalen Primats angehen…?“

In dem zur Zeit erscheinenden vierten Band der Dokumente wachsender Übereinstimmung finden sich unter dem Schlagwort „Konziliarität/Synodalität“ mehrere Einträge, und wir treffen auf bekannte Aussagen und Argumente. So heißt es in dem Dokument der orientalisch-orthodox/römisch-katholischen Kommission „Wesen, Verfassung und Sendung der Kirche“, dass „Synodalität/Kollegialität … eine permanente Dimension im Leben der Kirche“ bildet und die Synoden/Konzilien „Zeichen der dynamischen Präsenz des Heiligen Geistes“ sind. Die traditionelle Fassung der Synoden/ Konzilien als Bischofsversammlungen wird ergänzt durch die Aussage: „Priester, Diakone und die Laien können im synodalen/konziliaren Leben der Kirche und im Entscheidungsprozess ihre spezifische Rolle spielen.“

Aus dem wieder aufgenommenen Orthodox/Römisch-katholischen Dialog liegt das wichtige Ravenna-Dokument vor, in dem der Terminus „Konziliarität/Synodalität“ auf alle Glieder der Kirche bezogen und der sensus fidelium als das „Gewissen der Kirche“ (so der parallele Ausdruck in der griechischen Theologie) bezeichnet wird. Unbeschadet der von beiden Dialogopartnern festgehalten Autorität des Bischofs kann die „aktive Teilnahme der Laien, von Männern und Frauen, Personen des Mönchtums und des geweihten Lebens, in der Diözese und in der Pfarrei“ akzentuiert werden. Ansonsten widmet sich der Text vor allem dem Verhältnis der Ortskirchen und ihrer Bischöfe als Repräsentanten ihrer Kirchen und der zwischen Ost- und Westkirche einzig brisanten Frage nach dem Verhältnis von Primat und Konziliarität.

Im Cyprus-Statement aus dem Anglikanisch-Orthodoxen Dialog wird das Bedauern der Bischöfe der Kirche von England darüber, dass die Enzyklika „Ut unum sint“, mit der Papst Johannes Paul II. einlädt, mit ihm über eine ökumenische Gestalt des Petrusdienstes nachzudenken, wenig Bezug auf die Ökumenischen Konzilien und andere konziliare Formen der Beratung und Entscheidung nimmt, wiederholt. Das synodale Leben sei adäquater Ausdruck des Lebens der Kirche, wobei es darauf ankomme, die richtige Balance zwischen Primat und Konziliarität zu halten und die Rolle der Laien in den synodalen Strukturen zu sichern. Auch dieser Text hat vor allem das Verhältnis von Ortskirche und der Gemeinschaft aller Kirchen im Blick.

In dem Bericht der Internationalen Römisch-katholisch/Altkatholischen Kommission „Kirche und Kirchengemeinschaft“ (2009) geht es, nicht verwunderlich, um das Verhältnis von Papst und Bischöfen, von Ortskirche(n) und „Universalkirche“, deren römische Perspektive „der altkatholischen Tradition fremd [ist]“. Durchgängig wird die Beteiligung des Gottesvolkes bei der „Aufgabe des Suchens, Findens und Verkündens der Wahrheit“ betont. Es geht also um „Zusammenwirken der Bezeugungsinstanzen“. Unter den offenen Fragen zur Ekklesiologie wird vor allem der nterschiedliche Ansatz herausgestellt, der in der altkatholischen Ekklesiologie „seit jeher primär ortskirchlich“ orientiert ist. Ein ökumenisches Suchen um die Gestalt des Petrusdienstes setzt wohl eine konsequente Umsetzung der konziliaren Communio- bzw. Volk-Gottes-Ekklesiologie voraus!

Ein gewichtiges Studiendokument zur Apostolizität der Kirche hat die Lutherisch/ Römisch-katholische Kommission vorgelegt. In unserem engeren Zusammenhang ist der Text von grundsätzlicher Bedeutung, ohne dass er ausführlich Spezifisches zur Synodalität enthält. Bemerkenswert und charakteristisch: Während, wie wir sahen, anglikanische Gesprächspartner die wohlwollende Behauptung von der ununterbrochenen Tradition der Synodalität in der römisch-katholischen Kirche mittragen, regt das Dokument zu einer differenzierenden Betrachtungsweise an, wenn es feststellt, dass „im frühen Mittelalter … im Westen weitgehend die älteren Strukturen der kollegialen Kirchenleitung, wie zum Beispiel die Provinzialsynoden, [verschwanden]“ und „die Kirche … kaum noch als eine Gemeinschaft von Ortskirchen verstanden [wurde]“.

5. Anregungen für katholische Theologie, Lehre und Praxis

Wie eingangs vermerkt, frage ich nach Erkenntnissen und Anregungen für die römisch-katholische Ekklesiogenesis. Folgende möchte ich festhalten:

(1) Es besteht ein ökumenischer Grundkonsens darin, dass der Gottesdienst (nicht in allen Traditionen heißt dies: die Eucharistie/das Abendmahl) der zentrale Ort des Zusammengehens bzw. Zusammenkommens der Gläubigen ist. Primär handelndes Subjekt des Gottesdienstes ist Gott selbst; sekundäres, dankend empfangendes Subjekt die Gottesdienstgemeinde als ganze. Innerhalb dieses Großsubjektes hat der Geist seine Gaben, Dienste und Ämter ausgeteilt; deren Wahrnehmung darf die grundlegende Struktur nicht sprengen. In dieser gottesdienstlichen Syn-ode ruft also der dreieinige Gott sein Volk zusammen; alle Getauften sind berufen und gesendet, durch Wort und Tat das Evangelium zu verkünden. Diese Frohe Botschaft steht auch den ordinierten Amtsträgern gegenüber; auch das Lehramt „steht unter dem Wort Gottes und dient ihm“ (DV 10). Nur innerhalb der Communio steht das ordinationsgebundene Amt der Gemeinde gegenüber, und zwar dann und nur dann, wenn es das Extra nos (das „Nicht-von-uns-kommen“) des Heiles repräsentativ symbolisiert, in diesem Sinne (2 Kor 5,20: an Christi statt) das jetzt schon gegebene Heil in Wort und Sakrament zusagt. Dies ist die „Hierarchie“ (= die heilige Ordnung), in der Gott sein Volk konstitutiert: ein sekundäres Gegenüber im primären Miteinander. Diese theo-logische Hierarchie begründet keine Zweiklassengesellschaft von Klerus und Laien, keine prinzipielle Unterteilung in eine hörende und eine lehrende Kirche, in Spender und Empfänger. Was im Gottesdienst verkündet wird und die feiernde Gemeinde bestimmt, muss sich im alltäglichen Leben der Kirche und in ihren Strukturen auswirken und wiederfinden. Hierarchische Überund Unterordnung im soziologischen Sinn (etwa der Arbeitsteilung) kann es geben, gnadentheologisch relevant ist sie nicht.

(2) Unser Blick in die ökumenisch-theologische Landschaft bestätigt eine fast alltägliche Erfahrung des katholischen Ökumenikers: Auch nach fünfzig Jahren ist die ekklesiologische Weichenstellung des Zweiten Vatikanischen Konzils noch nicht Allgemeingut geworden, immer wieder müssen zentrale Aussagen verdeutlicht und erläutert werden, zumal Praxis und Kirchenrecht nicht in allem konsequent den Wegweisungen des Konzils folgen. In unserem Zusammenhang betrifft dies vor allem drei Themen: das Verhältnis von gemeinsamem und ordinationsgebundenem Priestertum („unterscheiden sich dem Wesen nach“), die Bezeichnung der Kirche als „veluti sacramentum“ sowie die Rede von einer communio hierarchica. Meine eigenen Arbeiten an den Konzilsakten haben zu folgenden eindeutigen Ergebnissen geführt:

(a) Die Textgeschichte von LG 10 ermöglicht ein Verständnis des Wesensunterschieds, das nicht im Widerspruch steht zu dem unter (1) knapp skizzierten ekklesiologischen Grundansatz. Die ursprüngliche Formulierung „unterscheiden sich nicht nur dem Grade, sondern auch dem Wesen nach“ wurde geändert und lautet schließlich, wenn wir unmissverständlich formulieren: „Der Unterschied ist einer des Wesens und nicht ein bloßer Gradunterschied.“ Die Ordinierten sind keine Christen höheren Grades (das gilt auch dann, wenn dies in der Praxis gelegentlich verdunkelt werden sollte), es gibt keine Steigerung innerhalb des allen gemeinsamen Priestertums. Der Unterschied des Wesens bezieht sich nicht auf das persönliche Wesen des ordinierten Priesters, weder auf seinen menschlichen Charakter noch auf einen gnadentheologisch höheren „character indelebilis“. Gemeint ist vielmehr, wie der Kontext belegt, dass die ordinierten Priester eine wesentlich andere Aufgabe haben und dass sie nicht besser, „höher“ das tun, was allen Christen aufgetragen ist. Diese wesentlich andere Funktion, welche das „Wesen“ dieses amtlichen Dienstes, der selbst eine Gnadengabe des Geistes bleibt, ausmacht, besteht genau in der unter (1) beschriebenen symbolischen Repräsentanz, die in der mittelalterlichen Tradition als „in persona Christi agere“ bezeichnet wird.

(b) Auch im zweiten hier kurz zu klärenden Fall hilft die Beachtung der Textgeschichte und des Wortlauts. Walter Dietz versteht die Rede von der Kirche als Sakrament so, dass damit „die Kirche … ihrerseits als Mysterium der Heilsgegenwart (Sakrament), … nicht funktional als Institution der Verkündigung gefasst wird“. Es dürfte schon durch die vorausgegangenen Erläuterungen deutlich geworden sein, dass dies keine zutreffende Alternative sein muss. Vor allem gibt der Text von LG 1 dies nicht her. Die Kirche wird hier nicht „Sakrament“ genannt, vielmehr wird ihre Struktur, das Verhältnis von „innen“ und „außen“, „Göttlichem“ und Menschlichem“, Verborgenem und Sichtbaren mit der Struktur des Sakraments verglichen und gesagt: Die Kirche ist in Christus so etwas wie (in Christo veluti) ein Sakrament. Und es wird in einem Atemzug erläuternd hinzugefügt: „das heißt: Zeichen und Werkzeug“. Die Kirche verkündet das Heil Gottes, auf das sie verweist, das sie den Menschen zusagen darf und dem sie so in martyria, diakonia und leiturgia dient. Von der quasi-sakramentalen Struktur der Kirche zu sprechen bedeutet also, ihre doppelte Relativität auszusagen: Kirche ist nicht das Heil, sie verweist vielmehr auf das Heil, das Gott allein schenkt, und lässt sich von ihm als Werkzeug gebrauchen.

(c) Die auch bei Kanonisten beliebte Bezeichnung der Kirche als einer communio hierarchica entspricht nicht der an Schrift und altkirchlicher Tradition erneuerten Ekklesiologie des Konzils. Die Kirche wird nie als eine hierarchische Gemeinschaft beschrieben. Vielmehr spricht das Konzil von der communio hierarchica der Bischöfe mit dem Papst, des Bischofs mit seinen Presbytern (und Diakonen). Gemeint ist also eine Gemeinschaft unter Amtsträgern, nicht ein hierarchisches Gefälle zwischen Ordinierten und Nichtordinierten.

(3) Der ekklesiologische Ansatz beim Gottesdienst/der Eucharistie muss sich in der Gestalt der Kirche wiederfinden, auch wenn es eine legitime Vielfalt von Gestalten geben kann. Im Sinne einer ecclesiologia negativa können, ja müssen bestimmte Gestaltwerdungen als nicht (mehr) adäquat abgelehnt werden. In unserem Zusammenhang etwa zieht Christoph Böttigheimer die folgende Konsequenz: „Die eucharistische Struktur der Kirche lässt demzufolge eine Beschneidung der episkopalen Autorität und der ekklesiologischen Fülle der Ortskirche nicht zu.“

Entscheidend und „argumentationsstrategisch“ wichtig ist es, Plädoyers für eine bestimmte Gestaltung der Kirche theologisch zu begründen. In diesem Sinn hielt der Kirchenrechtler Heribert Heinemann auf der Dialogtagung der Katholischen Akademien (1996!) ein flammendes Plädoyer dafür, nicht eine Demokratisierung der Kirche, sondern die Erneuerung ihrer synodalen Einrichtungen zu fordern. Was kommunikativ klug ist, muss nicht auf ein sacrificium intellectus hinauslaufen: „Dabei darf nicht übersehen werden, dass das, was sich in der Forderung nach Demokratie deutlich macht, ein genuin kirchliches Anliegen ist und sein muss. Diese Forderung lässt sich aber besser und eindeutiger in der Forderung nach mehr Synodalität (Zusammen-Weg) begründen.“

Ich denke, in den Beiträgen dieses Themenheftes wird das theologische Fundament („Synodalität“) der Forderung nach mehr synodalen Strukturen aufgezeigt. Zugleich wird das – in jüngster Zeit durch antithetisch klingende Äußerungen verzerrte – Verhältnis von Geist und Strukturen hell beleuchtet. Und hinsichtlich der „Zusammensetzung solcher Synoden“ so hat schon 1823 Johann Baptist Hirscher in dieser Zeitschrift gemeint: „so wird dieselbe der Art sein müssen, dass in ihnen die in der betreffenden Kirchengesellschaft befindliche Frömmigkeit und Weisheit repräsentiert sei. Und ich erlaube mir desfalls die Bemerkung, dass sogar der Pfarr-Klerus und der Laienstand nichts weniger als ausgeschlossen werden dürfen.“

Ausblick Die theologische Grundlegung ist notwendig, und sie ist hinsichtlich der Synodalität der Kirche gesichert. Ihre Rezeption erfordert auch praktische Schritte. Diese könnten in den Jahren des Dialogs begonnen werden. Ist es völlig undenkbar, dass die Jahre des Dialogprozesses mit einer Gemeinsamen Synode von Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und Deutscher (katholischer) Bischofskonferenz (DBK) abgeschlossen werden? Das wäre in jedem Fall fruchtbarer als die bestehende organisatorische Trennung, welche die DBK immer wieder einmal zu mahnenden Äußerungen veranlasst. Und ein Thema müsste vierzig Jahre nach Ende der Würzburger Synode (1971– 1975) nicht gesucht werden: Das Bekenntnis von 1975 „Unsere Hoffnung – ein Bekenntnis zum Glauben in dieser Zeit“ könnte bestätigt und fortgeschrieben werden.

Summary

What sort of theological attention is paid to synodality as a basic structure of the church in churches that are more clearly marked by synodal structures than the Roman Catholic Church? The contribution examines this question, first of all on the basis of the examples of a Lutheran, a Reformed and an Orthodox position. Relevant ecumenical documents are then explored with regard to this. In conclusion the author asks about insights and suggestions for the Roman Catholic ecclesiogenesis.
Übersetzung: Martha M. Matesich

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