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Leseprobe 3
Bernd Jochen Hilberath
Gott – Geld – Gehirn
Einer Umfrage zufolge wünschen sich Menschen im Osten Deutschlands ein längeres Leben als ihre Landsleute im Westen. Ein langes Leben, manche möchten sogar »ewig« leben – in diesem Leben! Darüber verwunderte sich mancher Kommentator: Das zeige doch, dass die Menschen trotz geringerer Lebensqualität zufrieden seien mit dem Leben, dass sie noch etwas von ihrem Leben erwarten erwarteten. Dass dies vielleicht auf einen entsprechenden Nachholbedarf zurückgeführt werden könnte, das schwang eher unterschwellig mit. Gar nicht im Blick war die Hypothese, dass Menschen, die kein Leben nach dem Tod erwarten, verstärkt auf das Leben davor setzen.

Unterscheidet das die Deutschen in Ost und West? »Das Leben als letzte Gelegenheit« ist doch auch westlich der ehemaligen »Stasigrenze « durchaus ein Motto. Was jetzt wie ein Kartenhaus zusammenfällt, als virtuelle Geld-Welt entlarvt wird, war doch auch Produkt eines »immer mehr – möglichst jetzt«. Schlimmer noch: Beim befragten Ostler zeigt die Vorderseite der Münze »Leben«, die Rückseite bleibt leer, a-theistisch. Das ist sie auch bei vielen Westlern, jedenfalls bei denen, die jetzt Verantwortung übernehmen oder ihre »shareholder value«-Einstellung revidieren sollten. Aber sie sind nicht atheistisch. Sie haben das Gottesbild sogar auf der Vorderseite: Gott Geld, Götze Kapital.

Billige Kapitalismuskritik eines Westlers, der selbst zu den sogenannten Besserverdienenden gehört? Nun verstehe ich von wirtschaftlichen Zusammenhängen zu wenig, um denen Ratschläge zu geben, die sich derzeit selbst nicht raten können. Aber, durchaus auch selbstkritisch, ist zu fragen, wie der Vergötzung gewehrt werden kann. Im Bild: wie die beiden Seiten der Münze wieder je für sich ihre Prägung erhalten – »gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist«!

Das Problem ist nicht neu, die Mahnung ebenfalls nicht. »Worauf Du nun (sage ich) Dein Herz hängest und verlässest, das ist eigentlich Dein Gott«, konkretisiert Martin Luther im Großen Katechismus die Kehrseite der Medaille. An »allgemeingültigen Exempeln des Gegenteils« will der Reformator und Seelsorger erläutern, was das Gebot »Du sollst nicht andere Götter haben« auf Kopf und Herz zusagen will. Und er beginnt die Reihe der Beispiele so: »Es ist mancher, der meinet, er habe Gott und alles genug, wenn er Geld und Gut hat; er verlässt und brüstet sich so steif und sicher, dass er auf niemand etwas gibt. Siehe: dieser hat auch einen Gott, der heißet Mammon, das ist Geld und Gut, darauf er all sein Herz setzet, welches auch der allergewöhnlichste Abgott auf Erden ist.« Dabei hat Luther keineswegs nur die Besitzer unter den Kapitalismus-Theisten im Blick; kapitalistische Mentalität kann auch die Habenichtse ergreifen: »Wer Geld und Gut hat, der weiß sich sicher, ist fröhlich und unerschrocken, als sitze er mitten im Paradies; und umgekehrt: wer keins hat, der verzweifelt und verzagt, als wisse er von keinem Gott. Denn man wird ihrer gar wenig finden, die guten Mutes seien, nicht trauern noch klagen, wenn sie den Mammon nicht haben; es klebt und hängt der Natur an bis ins Grab.«

Es ist nicht »das Geld an sich«, es ist der »Götze Markt«, der dem ersten Gebot widerstreitet. Aus der Perspektive der »Armen« haben das u. a. lateinamerikanische Theologen, Soziologen und Wirtschaftswissenschaftler in der Perspektive einer Theologie der Befreiung zum theologischen Thema gemacht (H. Assmann – F. J. Hinkelammert, Götze Markt, Düsseldorf 1992): »Der Kapitalismus scheint auf dem Tatsachenwege als die beste Gesellschaftsform, die Marktwirtschaft als beste Wirtschaftsform erwiesen. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Die Kehrseite dieses Triumphes ist die religiöse Dimension, die die Ökonomie angenommen hat. Der Markt ist zu einer Gottheit geworden, die in ihrer unendlichen Weisheit alles so herrlich regieret (reguliert).« In unseren wirtschaftlichen Breiten ist es vor allem Thomas Ruster, der auf diese Zusammenhänge mit Nachdruck hinweist.

Seit Menschen mit Geld umgehen, gilt die Binsenweisheit »Geld stinkt nicht«. Was zum Himmel stinkt und Menschen im Gestank verkommen lässt, ist unser Umgang mit dem Mammon. Nichts gegen Eigennutz, ohne ihn würde unser Wirtschaften nicht gedeihen. Lässt er sich mit Nutzen für die Anderen verbinden? Kann Kapital sozial verträglich genutzt werden? Ist eine Rückkehr zur sozialen Marktwirtschaft möglich?

Muss die Frage nicht eher lauten: Ist eine Umkehr des Menschen, eine Rückkehr zu sozial verantwortlichem Leben denkbar? Jesus und das Urchristentum nennen dies Reich- Gottes-Praxis. Braucht es also auch heute die Ressourcen der Religion(en)? Wie viel Religion braucht die Wirtschaftsgesellschaft?

Zumindest die großen Kirchen haben im Blick auf »Das Kapital« keine guten Karten, wenn auch ihr karitativ-diakonisches Engagement hoch geschätzt wird. Das liegt nicht nur an der Institution und den Menschen in ihr; zur Gemengelage gehören auch Unkenntnis, Vorurteile und einseitige Blickrichtungen. Wie auch immer, der gesellschaftliche Diskurs kann nicht bei den Vorgaben der (etablierten) Religion ansetzen. Aber wir könnten unser Hirn einschalten!
[...]


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